Kampf dem Vampir-Zerfall

Jeder soll alles schauen können: Am Mittwoch eröffnete das Bundesfilmarchiv in Berlin seine neue Anlage zur Filmrestauration. Langfristig sollen die Filme im Internet zugänglich gemacht werden

VON MARTIN SCHNEIDER

Als Friedrich Wilhelm Murnau 1921 den Film „Nosferatu“ drehte, verwendete er als Filmmaterial Cellulosenitrat. Das war nichts Besonderes, alle Regisseure seiner Zeit taten das. Heute gilt „Nosferatu“ als Klassiker – und das Cellulosenitrat droht ihm und vielen anderen kostbaren Filmen zum Verhängnis zu werden. Denn das Material, das von 1895 bis in die Fünfzigerjahre in Gebrauch war, ist sehr leicht entflammbar.

Dass Meisterwerke wie „Nosferatu“ den Flammen zum Opfer fallen könnten, beunruhigt Filmarchivare seit langem. Um Unfälle zu vermeiden, hat das Bundesarchiv in Dahlwitz-Hoppegarten bei Berlin nun einen neuen Gebäudekomplex eingeweiht, der eine der modernsten Anlagen zur Filmrestaurierung beherbergt. Am Mittwoch wurde er von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, Christina Weiss, eröffnet. Die 75.000 Cellulosenitrat-Filme, über die der Bund verfügt, lagerten bisher in veralteten Archiven in Koblenz und Berlin-Wilhelmshagen. Sie werden nun in Dahlwitz-Hoppegarten zusammengeführt.

Neben „Nosferatu“ befinden sich weitere Meisterwerke des expressionistischen Stummfilms darunter, etwa „Das Cabinet des Dr. Caligari“ aus dem Jahr 1919. Aber auch Filme aus der Nazi-Zeit wie „Münchhausen“ von Regisseurs Josef von Blaky können dort in Zukunft eingesehen werden. Die wertvollste Filmrolle der Sammlung stammt aus dem Geburtsjahr des Kinos. Am 1. November 1895 führten die Gebrüder Skladanowsky im Berliner Wintergarten mit Hilfe ihres „Bioscops“ dem erstaunten Publikum bewegte Bilder vor. Es war die erste Filmvorführung überhaupt – knapp zwei Monate bevor die Gebrüder Lumière dem Pariser Publikum „Die Ankunft eines Zuges im Bahnhof von La Ciotat“ und andere Kurzfilme präsentierten.

Die neue, zwölf Millionen Euro teure Anlage in Dahlwitz-Hoppegarten dient nicht nur dazu, die Cellulosenitrat-Filme sicher zu lagern. Das historische Filmmaterial wird dort in den nächsten 20 Jahren vollständig restauriert und kopiert. Dazu wurden Räume eingerichtet, in denen die Filme auf Schäden gesichtet und wieder hergestellt werden können. In mannshohen Kopiermaschinen wird die alte Filmrolle dann auf haltbares Polyester kopiert. Auch ein Vorführraum wurde gebaut, auf dessen Leinwand zwei Kopien desselben Films nebeneinander projiziert werden können, sodass sich ihre Qualität vergleichen lässt.

Im Bundesarchiv gehen die Planungen aber schon weiter. Nicht nur der Bestand an Cellulosenitrat-Filmen soll in Dahlwitz-Hoppegarten untergebracht werden. 2008 sollen neue Magazinflächen für eine Million Filmrollen entstehen. Der Platz wird dringend benötigt, schließlich kommt ständig neues Filmmaterial hinzu. Außerdem ist geplant, die Filmrollen schrittweise zu digitalisieren und ins Internet zu stellen. Zwar ist der Leiter der Filmarchivs, Karl Griep, noch vorsichtig, denn im Moment änderten sich die technischen Rahmenbedingungen der Digitalfilme schneller „als die Tabelle der Fußball-Bundesliga“. Langfristig soll aber jeder Film des Bundesarchivs im Internet zugänglich sein.