Man freut sich ja schon über kleine Dinge

Schelmische Blicke: Spaß an der Selbstinszenierung ist in Wahlkampfzeiten ein nicht zu unterschätzendes Gut

Die Bundesliga startete erfolgversprechend, der Sommer feierte ein hübsches Comeback; nur der Wahlkampf, die Politiker, die Repräsentanten unserer selbst, scheinen nicht so recht in die Gänge zu kommen. Eher mau halt. Man ist enttäuscht, wenn auch nicht wirklich; möglicherweise ist auch die Anspruchshaltung zu groß.

Die muss man halt herunterfahren, um sich auch über die kleinen Dinge zu freuen. Freude ist vielleicht zu hoch gegriffen, aber eine gewisse Anteilnahme entsteht ja und ein Gefühl der Anerkennung, hier hätte sich jemand wirklich angestrengt. Zum Beispiel, wenn man morgens am Kiosk liest, dass Münte so erschöpft ist, und man denkt, ach Münte, der ist doch eigentlich super. Also ist das innerlich weder zynisch gemeint, noch, dass man sich individuelle Vorteile versprechen würde, wenn dieser oder jener, sondern eher so eine Zufriedenheit mit dem Gesamtbild, dass der doch dazugehört und eigentlich ganz gut aussieht, wenn er dann so im Fernsehen.

Eitelkeit ist ja nicht nur etwas Schlechtes, sondern führt auch oft dazu, dass die Gecken im Scheinwerferlicht besser aussehen. Anders gesagt: Angela Merkel kommt nicht so gut rüber, weil man den Eindruck hat, dass sie ihre strategischen Metamorphosen nur widerwillig erträgt und im kleineren Kreis jeden ohrfeigen würde, der sie ernsthaft Angie nennen würde. Kirchhof dagegen bringt es gut rüber, dass er das alles nicht mag – das laute Licht, die vielen Leute; die Inszenierung von Politik also, ohne die wir sie gar nicht wahrnehmen würden.

Es wird gesagt, es sei unmöglich und quasi unmoralisch im Wahlkampf auf unterhaltende Elemente zu hoffen. Das kommt daher, dass die Begriffe „Spaß“ und „Unterhaltung“ vor allem in Deutschland negativ besetzt sind. Dabei macht das Interessante Spaß, und es ist schön, bei Sonnenschein vom Beifahrersitz aus Plakate zu gucken.

Diese knallbunten, ein bisschen irrsinnigen Agitpropbilder der MLPD – dass es die noch gibt! –; diese Dinger, wo lustig draufsteht „Mensch Diepgen“, während man die Karl-Marx-Straße entlang fährt und man denkt „Mensch, dass es den auch noch gibt …“; dieses komische Milchgesicht von der FDP, wo man denkt, der ist doch nicht mal 18. Interessant sind selbst die, die einen ein wenig ratlos zurücklassen, wie dieses „reichlich provokante Motiv“ (Linkspartei.de) mit Gysi und Lafontaine, über das sich ein Kollege sehr gefreut hat. Grad Gysi guckt da ja auch so schelmisch, süffisant womöglich, seltsam irgendwie, so als wollte er die Heilserwartung seiner potenziellen Wähler ironisieren. Andererseits aber auch, als freute er sich über eine besonders schöne Formulierung, die ihm grad von den Lippen glitt.

Am besten sind die Spots der „titanic“-Partei im Fernsehen. Richtig gruselt es einen aber, wenn man durch Brandenburger Dörfer fährt, in denen nur die NPD zehn Meter hoch an Laternenpfählen ihre Hetzparolen geheftet hat. Über „Politiker abstrafen“ kann man nur unrichtig lachen. Vielleicht hat einen der Ärger darüber gehindert, auch andere zu sehen.

DETLEF KUHLBRODT