Zum UNO-Tribunal mit Gottes Segen

Das Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche in Montenegro fordert Radovan Karadžić auf, sich zu stellen

SARAJEVO taz ■ Lange hat die Chefanklägerin des Den Haager UN-Kriegsverbrechertribunals, Carla del Ponte, stillgehalten. Doch am Samstag forderte ihre Pressesprecherin die Armee Serbien-Montenegros auf, endlich aktiv zu werden und die beiden vom Tribunal gesuchten und als Kriegsverbrecher angeklagten Radovan Karadžić und Ratko Mladić festzunehmen. Alle einflussreichen Personen und Institutionen sollten versuchen, die beiden endlich dingfest zu machen.

Carla del Ponte ist mit ihren Forderungen ein gebranntes Kind, hatte sie sich doch schon im Vorjahr festgelegt und vorausgesagt, Karadžić und Mladić würden bis zum 2. Juni 2004 verhaftet. Doch auch noch von anderer Seite wächst jetzt der Druck auf die beiden, aufzugeben: Nach Karadžić’ Ehefrau hat auch das Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche in Montenegro, der Metropolit Amfilohije, den Exführer der bosnischen Serben aufgefordert, sich dem UN-Tribunal zu stellen. „Wäre ich an seiner Stelle, würde ich nach Den Haag gehen“, entlockten der Mitarbeiter der österreichischen Nachrichtenagentur APA, Markus Bickel, und der Reporter der BBC, Nick Hawton, Amfilohije vor wenigen Tagen.

Vor allem in Serbien hat die Aussage Aufsehen erregt. Denn der Metropolit, der in serbischen radikal-nationalistischen Kreisen sehr einflussreich ist, gilt als einer der wichtigsten Unterstützer von Radovan Karadžić und dessen Politik der ethnischen Säuberungen. Amfilohije steht im Verdacht, dem Flüchtigen im Kloster Josip Do bei Niksić in Montenegro Unterschlupf gewährt zu haben. Während des Gespräches dementierte er dies jedoch heftig. Nach dem Interview jedoch schloss der Bischof nicht aus, dass Karadžić auf Kirchengrund gefunden werden könnte: „In dieser Welt der Wunder ist alles möglich.“

War das seine Absicherung, nach Karadžić’ und Mladić’ Festnahme nicht als Lügner dazustehen? In Podgorica werten manche den Schritt als Hinweis darauf, die Kirche sei an Verhandlungen um eine Auslieferung Karadžić’ beteiligt. Das montenegrinische Nachrichtenmagazin Monitor berichtet, Kirchenvertreter verhandelten mit Angehörigen von US-Geheimdiensten über eine freiwillige Überstellung. Diese könnte im September erfolgen. Die Kirche dementierte umgehend. Ein Sprecher erklärte, die Zitate seien nicht richtig wiedergegeben worden

Doch niemand will dieses Dementi ernst nehmen. Jetzt sei alles möglich, verlautete aus diplomatischen Kreisen in Belgrad. Denn Montenegro stehe vor wichtigen Gesprächen mit der EU über die Unabhängigkeit des Landes von Serbien und der Annäherung an die Gemeinschaft. Mit der Verhaftung eines wichtigen Mitglieds des Karadžić-Netzwerkes – des Kriegsprofiteurs und Unternehmers Momcilo Mandić – in dem Badeort Budva vor einer Woche habe der Präsident Montenegros, Milo Djukanović, ein Zeichen gesetzt. Mandić wurde an Bosnien und Herzegowina ausgeliefert und sitzt in einem Gefängnis in Sarajevo.

Wenige Tage zuvor war mit Milan Lukić ein weiterer Gefolgsmann in Argentinien verhaftet worden. Zwei Dutzend CIA-Leute sollen sich in Montenegro aufhalten. Bei einem Besuch in Belgrad am Donnerstag erklärte der US-Sonderbotschafter für Kriegsverbrechen, Pierre Richard Prosper, man sei der Verhaftung Karadžić’ „so nahe wie nie zuvor“. ERICH RATHFELDER