Wenn der Nachbar späht

Landgericht Bonn: Private Videoüberwachung muss weg

Aus Großbritannien weiß man, das in den Großstädten dort mittlerweile fast jede Hautfalte von einer Überwachungskamera abgetastet wird. Auch in Nordrhein-Westfalen ist die elektronische Observation öffentlicher Plätze einfacher geworden, seit das Landes-Polizeigesetz vor zwei Jahren gelockert wurde. Was aber, wenn nicht der Staat, sondern der Nachbar ein wachsames Auge auf uns wirft? Und das Ganze dann auch noch auf Videobändern konserviert.

Das Landgericht Bonn hat sich vor einiger Zeit mit einem derartigen Fall beschäftigt. Laut dem nun in der Neuen Juristischen Wochenschrift veröffentlichten Urteil müssen Überwachungskameras abgebaut werden, wenn sie das Persönlichkeitsrecht des Nachbarn verletzen. Soll heißen: Steht man ständig unter dem Druck, der Nachbar zeichne jedes Nasebohren auf, müssen die Kameras weg. Und jetzt der Clou: Nicht nur funktionierende Kameras müssen abmontiert werden, auch Attrappen.

Im vorliegenden Fall hatte ein Hauseigentümer Kameras auf seinen Garagenhof gerichtet, wo es fortwährend zu Sachbeschädigungen gekommen sein soll. Der Nachbar, dessen Haus ebenfalls im Fokus der Kameras lag, verklagte den Hauseigentümer, weil er sich beobachtet fühlte. Dass die an seinem Haus angebrachten Gehäuse gar nicht funktionstüchtig seien, wie der Hauseigentümer argumentierte, beeindruckte das Gericht nicht. Die Richter sprechen von „Überwachungsdruck“, den sowohl echte Kameras erzeugten, als auch schnöde Attrappen. Beides sei ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Was das heißt? Nun: Wenn schon nicht auf etlichen öffentlichen Plätzen, so wird doch wenigstens Zuhause und im eigenen Garten das Persönlichkeitsrecht gewahrt. Sie können sich also gehen lassen (wenn ihr Nachbar nicht gerade in der Nähe ist). Allerdings: Was ist mit Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Universitäten, die inzwischen auch auf Videoüberwachung setzen? Unlängst klagten beispielsweise Studierende der Universität Münster, dass sogar Computerräume mit Kameras ausgestattet seien. Liest man das Urteil, wäre das auch nicht mehr haltbar. Denn wer sollte es fördern, dass junge Menschen ihre Persönlichkeit entfalten, wenn nicht Schulen und Universitäten?

BORIS R. ROSENKRANZ