MERKEL 2: DIE KANZLERKANDIDATIN IRRT UND VERWIRRT DIE MENSCHEN
: Benzin ist nicht Rohöl

Angela Merkel hat sich mal wieder für die transatlantische Allianz entschieden. Was US-Präsident Bush kann, das kann die deutsche Kanzlerkandidatin schon lange: Wenn also das große Vorbild in Washington die nationalen Ölreserven der USA freigibt, dann ist die zwingende Konsequenz für die Union, auch in Deutschland diese Notration anzugreifen. Es muss Spaß machen, nicht nur Kanzlerkandidatin, sondern gleich auch Retterin der Nation zu sein. Zudem ist die von Bild ausgerufene „Benzinwut“ ein schönes Wahlkampfthema.

Zunächst klingt es ja auch so logisch nach Marktgesetz: Steigenden Preisen muss man mit einem steigenden Angebot begegnen. Nur ist der Kanzlerkandidatin ein kleiner Irrtum unterlaufen, der an ihre Verwechslung von Brutto und Netto erinnert. In den nationalen Kavernen lagert vor allem Rohöl – das aber ist auf den Märkten gar nicht knapp. Es fehlt an Benzin. Schon vor dem Hurrikan „Katrina“ arbeiteten die Ölfirmen weltweit an ihrer Kapazitätsgrenze. Nachdem der Wirbelsturm in den USA nun acht Raffinerien komplett lahm gelegt hat, wurde aus der Benzinknappheit akuter Mangel. Mehr Öl nutzt da gar nichts, stockt doch die Weiterverarbeitung sowieso schon. Angela Merkel wird nun lernen, was Kanzler Schröder bei der Holzmann-Pleite schmerzhaft hat erfahren müssen: Es ist sehr mühsam, mit Hauruck-Aktionen in das Marktgeschehen einzugreifen.

Wenn also Angela Merkel nicht zu den Profiteuren der Benzinkrise gehört – wer dann? Kurzfristig sind es die großen Ölkonzerne, die selbst Raffinerien besitzen. Pro Liter Benzin steigen ihre Gewinne weiter. Schon jetzt schwimmen die Firmen in Geld und haben eigentlich nur noch ein Problem: Sie wissen kaum noch, wo sie es profitträchtig investieren können. Denn ihre traditionellen Ölreserven sind begrenzt; neue nur noch sehr kostenträchtig zu erschließen. Also kaufen sie momentan ihre Aktien zurück, um die Eigenkapitalrendite noch weiter zu steigern. Das sieht gut aus auf dem Papier – aber in der Langfristperspektive sind die Konzerne fast so ratlos wie die Kanzlerkandidatin jetzt schon. ULRIKE HERRMANN