Viel Gegacker um die Vogelgrippe

Der Ökobauer Carsten Bauck hält 4.000 Hühner. Dass Niedersachsens Agrarminister jetzt gegen den Beschluss der Bundesregierung eine Stallpflicht durchdrücken will, ärgert ihn. Nicht, weil er nicht weiß, wohin mit dem Federvieh, sondern weil Freilandhaltung zum Wahlkampfthema gemacht wird

aus Klein Süstedt Thomas Brunotte

Irgendwo muss sie doch lauern, die Gefahr, wird sich das Fernsehteam gedacht haben, das vor ein paar Tagen auf Carsten Baucks Geflügelhof Filmaufnahmen machte. Vogelgrippe war das Thema der Stunde und die Kameraleute suchten verzweifelt nach Bildern von Zugvögeln, die auf dem Rückweg aus Asien mit virenverseuchtem Reisegepäck über Baucks Hühnerställen kreisen, erzählt der Landwirt aus Klein Süstedt bei Uelzen. Doch weit und breit wollte sich keine Gänse-Formation blicken lassen, der Himmel blieb ruhig. Der Landwirt lacht immer noch, wenn er sich daran erinnert, wie das Fernsehen dann doch noch zu seinen Bildern kam. Die Bedrohung wurde buchstäblich herausgeschüttelt, aus einem Baum auf Baucks Hof. „Dass das keine Zugvögel, sondern Spatzen waren, die herausgeflogen kamen, störte die überhaupt nicht.“

4.000 Hühner hält der 29-Jährige auf seinem Demeterhof, dem zweitältesten in Deutschland. Natürlich in Freilandhaltung, wie es sich für einen streng biologisch-dynamischen Betrieb gehört. Dass der niedersächsische Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen jetzt angekündigt hat, eine Einsperrpflicht für Geflügel zu verordnen, macht Bauck wütend. Nicht, weil er nicht wüsste, wo er seine Tiere unterbringen sollte – für solche Fälle ist er gerüstet. Er ärgert sich darüber, dass die Vogelgrippe zum Wahlkampfthema gemacht werde. „Die Politiker sollen sich lieber um Extremisten kümmern als um uns Hühnerhalter“, schimpft der Ökobauer. Er glaubt, dass es dem CDU-Minister Ehlen gar nicht so sehr um den Schutz vor der Vogelgrippe geht. Vielmehr nutze der erklärte Freilandgegner die Chance, im Streit um die Frage „Käfig- oder Freilandhaltung“ seiner Kollegin auf Bundesebene, der Grünen-Verbraucherministerin Renate Künast, eins auszuwischen. Die nämlich möchte erst einmal abwarten, wie sich die Sache weiter entwickelt, bevor sie den Bauern eine Stallpflicht aufdrückt.

Bauck kann damit gut leben. „Wenn es wirklich eine Bedrohung durch Zugvögel gibt, dann bin ich der Erste, der die Tiere einsperrt“, sagt er. Noch dürfen sie tagsüber raus, nachts schlafen sie in vier mobilen Ställen, die regelmäßig auf ein neues Stück Wiese gezogen werden. Eine akute Gefahr sieht er für seine Hühner nicht. Noch seien keine Zugvögel unterwegs und davor wolle er kein Huhn einsperren. Angst vor der Krankheit, die in Asien immerhin auch Menschenleben kostete, hat er keine. Und keine Zeit für Panikmache. Meldungen wie „Finnland – Möwen hatten für Menschen ungefährliche Vogelgrippe“ gehen an ihm vorbei. Er verlässt sich darauf, dass der Amtstierarzt, der ohnehin zweimal im Jahr den Bestand kontrolliert, ihm sagt, wann die Bedrohung real wird. Wenn er abends „zur Erholung“ in den Ställen nach seinen Hühnern sieht, dürfen seine Kinder jedenfalls mitkommen.

Gedanken macht sich Bauck um etwas anderes. Um die Verbraucher, die aus Verunsicherung wieder Eier aus Käfighaltung kaufen könnten. Mühsam hätten die Bio-Verbände es geschafft, Kunden von ihren Produkten mit dem Biosiegel „Aus Freilandhaltung“ zu überzeugen – obwohl diese häufig sehr viel teurer sind als etwa das Ei, das in einem konventionellen Betrieb durch das Käfiggitter gefallen ist. „Renate Künast“, sagt Bauck, „hat meinen tiefsten Dank.“

Dabei ist Bauck keiner, der ein paar Hühner über den Hof zuckeln lässt, weil es so nett aussieht. Mit 4.000 Hühnern gehört er zu den großen der Bio-Branche, Reinigung, Fütterung und Beleuchtung werden maschinell gesteuert. „Da bin ich kein Romantiker“, sagt er. Wer will, kann sich von ihm über den seit 1932 ökologisch bewirtschafteten Hof führen lassen, die Mobilställe besichtigen, auch Joschka Fischer war schon zu Gast.

Dem wird Bauck auch die Schatten spendenden „Wintergärten“ gezeigt haben, die eine Freilandhaltung erst artgerecht machen. Das Huhn ist nämlich ein Waldrandbewohner, erklärt Bauck, und als solches brauche es den Wechsel von Licht und Schatten. Der praktische Nebeneffekt für Bauck: Sollte er seine Hühner doch noch einsperren müssen, weiß er sie unterzubringen. Auch die Hühner schätzen die Wintergärten, fast alle haben sich an diesem Tag vor der Hitze in die Schattenhäuschen verzogen. Von drinnen ist ein gleichmäßiges Singen und Gackern zu vernehmen. Der Bauer klopft zweimal sachte an die Tür der Häuschen, um seine „Mädels“, wie er die Tiere nennt, nicht zu erschrecken. Angenehm kühl ist es. Die etwa 300 Hühner lassen sich nicht irritieren. Mit dem Eintreten der beiden Besucher gerät der Chor zwar etwas aus dem Takt, nach kurzer Aufregung pendelt sich aber wieder die gewohnte Harmonie ein.