Noch höhere Preise für Benzin erwartet

Wolfgang Franz, Berater der Bundesregierung, sieht 1,50 Euro pro Liter kommen. Die Deutsche Umwelthilfe prognostiziert gar 1,80 Euro. Bundesumweltminister Jürgen Trittin fordert Autohersteller auf, den Durchschnittsverbrauch auf fünf Liter zu senken

VON NICOLA LIEBERT

Der durch den Hurrikan „Katrina“ in den USA ausgelöste verschärfte Anstieg der Öl- und Benzinpreise wird sich fortsetzen. Davon geht der Ökonom Wolfgang Franz aus, der die Bundesregierung berät. Der Benzinpreis könnte schon in den nächsten Wochen auf 1,50 Euro pro Liter klettern, befürchtet Franz, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Franz ist nicht alleine mit seiner Einschätzung. Viele Experten prognostizieren weiter steigende Preise. So auch Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH): „Wir müssen uns langfristig auf ein neues, wesentlich erhöhtes Preisniveau bei den fossilen Energien einstellen.“ Einen Preis von 1,80 Euro bis Jahresende hält Resch für nicht unwahrscheinlich.

Diese Annahmen beruhen unter anderem darauf, dass die USA schon in der Zeit vor dem Wirbelsturm „Katrina“, der Förderplattformen und Raffinerien zerstörte, wegen zu geringer Produktionskapazitäten Treibstoff aus Europa einführen musste. Jetzt dürfte die Nachfrage aus den USA weiter anziehen und damit auch der Spritpreis.

Auf den internationalen Ölmärkten hat sich die Lage Ende der vergangenen Woche zunächst leicht entspannt. Ausschlaggebend dafür war die Ankündigung der Internationalen Energie-Agentur (IEA) sowie mehrerer Länder, darunter die USA und Deutschland, Öl aus ihren strategischen Reserven freizugeben. In New York kostete die Referenzsorte Light Sweet Crude zum Börsenschluss am Freitag 67,57 Dollar (54,54 Euro). Zuvor hatte der Preis mit 70,85 Dollar ein Allzeithoch erreicht. Der Preis für einen Liter Normalbenzin lag am Wochenende an vielen deutschen Tankstellen deutlich über 1,40 Euro.

Der Anstieg des Ölpreises in diesem Jahr von rund 30 auf 70 Dollar pro Barrel hat die Wirtschaft bislang relativ wenig belastet. Der Konsum brach nicht ein – vor allem wegen niedriger Zinsen und des Immobilienbooms in den USA und Großbritannien, durch den sich Hausbesitzer reich fühlen und auf Pump leben können. In Zukunft könnte sich das ändern, befürchten Ökonomen. Denn steigende Inflationsraten in vielen Ländern deuten auf einen Zinsanstieg hin und die Immobilienblase könnte bald platzen.

IEA-Chef Claude Mandil warnte in einem Zeitungsinterview vor der Möglichkeit einer weltweiten Energiekrise. Schon vor „Katrina“ sei der Ölpreis viel zu hoch gewesen, unter anderem aufgrund der rapide wachsenden Ölnachfrage aus China. Ein noch weiterer Anstieg sei ein Risiko für die Wirtschaft der gesamten Welt. Mandil rief die Regierungen der Industrieländer auf, mehr Geld in die Entwicklung alternativer Methoden zur Energiegewinnung zu investieren. Die Verbraucher sollten Energie sparen.

Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, warnte vor schweren Wachstumseinbußen, wenn die Ölabhängigkeit nicht vermindert werde. Bundesumweltminister Jürgen Trittin rief die Automobilhersteller auf, den Durchschnittsverbrauch der Fahrzeuge auf fünf Liter zu senken. Die Union möchte dagegen offenbar die Energieverbraucher entlasten. Kanzlerkandidatin Angela Merkel sagte auf dem CSU-Parteitag, die Ökosteuer solle möglicherweise um 3 Cent pro Liter Benzin gesenkt werden.