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: „Riding Giants“ von Stace Peralta / Surfin‘ USA

„Charlie doesn‘t surf“ sagt Robert Duval in Coppolas „Apocalypse Now“ am vietnamesischen Strand mit dem „herrlichen Duft von Napalm am Morgen“ in der Nase. Nein, der Vietkong machen sich nichts aus Wellenreiten – und die Afroamerikaner offensichtlich auch nicht. In „Riding Giants“, der grandiosen Dokumentation von Stace Peralta über das Surfen sieht man Hunderte von jungen, athletischen US-Amerikaner auf ihren Brettern über die Wellen reiten – doch kein einziger davon ist schwarz. Für europäische Augen wirkt es manchmal schon komisch, wie extrem die Surfer dem Klischee vom angelsächsischen Alphatier entsprechen: all die starken Kinnpartien, blauen Augen und blonden Haare. Dies wird zwar in „Riding Giants“ überhaupt nicht problematisiert, aber dass man den Film auch so gegen den Strich lesen kann, ist eine seiner Qualitäten.

Denn er bietet eine überwältigende Fülle an Bildern, Informationen und Geschichten über das professionelle Surfen. Der Filmemacher Stacy Peralta ist ein Zauberer bei der Recherche. Er hat Zugang zu riesigen Mengen von historischem Filmmaterial, seien es Amateuraufnahmen, Ausschnitte aus anderen Surferfilmen oder Sportsendungen. Und so scheint er von jeder gerittenen Welle und von jeder neuen Heldentat der Surfgemeinde die passenden Bilder zeigen zu können. All das ist rasant und rhythmisch geschnitten und Peralta, der selber aus der Skateboard-Szene kommt, kann das Lebensgefühl der Surfer authentisch spürbar machen. Dass der Filmemacher auch ein Fan ist, hat nur einen Nachteil: Jeder Surfer, der je eine bedeutende Welle geritten, oder als erster ein besonderes Board verwendet hat, muss unbedingt namentlich erwähnt werden. Und mit welcher Inbrunst werden hier die Helden der Szene wie auf einer Ehrentafel verewigt!

So etwa Greg Knoll, der in den 60ern als Veteran der Surfgemeinde von Kalifornien nach Hawaii zog, wo er als Erster die bis zu 12 Meter hohen „Big Waves“ ritt. Heute ist er ein gemütlicher 60-jähriger mit Bierbauch, aber seine Augen strahlen noch, wenn er von seinen schönsten Wellenritten erzählt, von denen dann im Film zumindest verwackelte Super8-Aufnahmen zu sehen sind. Von Jeff Clarks größten Leistungen gibt es dagegen keine Bilder, denn er surfte 15 Jahre lang alleine auf den Mavericks genannten riesigen Wellen vor der Küste von Nordkalifornien. 45 Minuten musste er alleine auf seinem Board durchs kalte Wasser zu den Wellen paddeln, um dann für ein paar Momente Wellen zu reiten, die so unberechenbar waren, dass jedes Mal sein Leben in Gefahr war. Das hat kaum noch etwas mit der Musik der Beach Boys und dem übermütig, süßen Leben an den Ständen der Westcoast zu tun, das man mit dem Surfen verbindet. Die Hardcore-Surfer, von denen dieser Film erzählt, sind Besessene, die der perfekten Welle wie einem heiligen Gral hinterher jagen. So auch Laird Hamilton, der aktuelle „goldene Jüngling“ des Sports, der sich inzwischen von einem Jet-Ski zu den Wellen ziehen läst und bei seinen Ritten von einem Hubschrauber aus fotografiert wird. Er fand seine perfekte Welle in Haiti, wo er sich in eine gewaltige Wasserwand stürzte, die sich so von allen anderen, bisher gerittenen Wellen unterschied, dass er an Ort und Stelle ganz neue Techniken des Surfens improvisieren musste. Der Film feiert die Leistung in seinem manchmal rührend hymnischen Kommentar als den „bedeutendsten Ritt der gesamten Surfergeschichte“. Doch auch danach muss Hamilton weiterjagen, denn er verfällt in Depressionen, wenn er sich an keiner Welle messen kann: „Es ist, als wärst du ein Drachentöter, und es gäbe keine Drachen zu töten!“. Wilfried Hippen

„Riding Giants“ läuft in Bremen im Cinema und in Hannover im Apollo