Steuertrickser unter sich

Um das Steuerrecht zu kritisieren, zitiert die Union gerne die „1.000 ganz legalen Steuertricks“ aus der Bahnhofsbuchhandlung. Deren Autor Franz Konz versteht Kirchhof zwar nicht, freut sich aber dennoch

VON ULRIKE HERRMANN

Franz Konz findet es „schon erfreulich“. Im Alter von 80 Jahren ist er plötzlich „in den Mittelpunkt der politischen Diskussion gerückt“. Nicht, dass es ihn überraschen würde – „schließlich habe ich 7 Millionen Leser“.

Bisher kannte man Konz vor allem aus den Bahnhofsbuchhandlungen – dort liegt „der große Konz“ in der 21. Auflage vor. Der Autor lächelt stapelweise auf knallroten Buchdeckeln, und wie immer verrät er „1.000 ganz legale Steuertricks“.

Spaß für den Mann

Dieser populäre Ratgeber ist eigentlich dazu gedacht, sagt Konz, dass „der kleine Mann seinen Spaß hat“. Doch nun hat plötzlich die Unionsprominenz das Werk entdeckt. Der Steuerratgeber wurde zu einem zentralen Indiz im Wahlkampf.

Als Erstes zitierte Kompetenzkandidat Paul Kirchhof den „großen Konz“ in seinem Duell mit SPD-Finanzminister Hans Eichel in der vergangenen Woche. Es ging mal wieder um die Frage, wie Kirchhof seine große Steuerreform eigentlich zu finanzieren gedenkt. Sie sieht einen Spitzensteuersatz von nur noch 25 Prozent vor – und um die Milliardenausfälle beim Staat zu kompensieren, will der Ex-Verfassungsrichter 418 oder auch 427 „Ausnahmetatbestände“ im Steuerrecht abschaffen. Keiner weiß es so genau, weil sich Kirchhof öfter widerspricht. Zudem rückt er seine Streichliste nicht heraus, und selbst CDUler bezweifeln inzwischen, dass sie existiert. Schon sah es nach einem Punktsieg für Eichel aus, doch da parierte Kirchhof mit einer überraschenden Gegenrechnung: Die „1.000 Steuertricks“ würden doch zeigen, dass es 418 Ausnahmen geben müsse. Kanzlerkandidatin Angela Merkel gefiel diese Simpelmathematik so gut, dass sie sie im Duell gegen Schröder wiederholte. Seither gehört „der große Konz“ zum Zitatenschatz der Union.

Der Urheber ist amüsiert: „Dann müssten ja noch 582 Ausnahmen bleiben.“ Tatsächlich jedoch funktioniert sein Steuerratgeber völlig anders, als es Kirchhof unterstellt. Dort werden nicht sämtliche Gesetzesvorschriften aufgelistet – sondern Konz erklärt seinen staunenden Lesern, wie eine einzige Vorschrift eine Vielzahl von Schlupflöchern öffnet.

Allein der Punkt „Verpflegungskosten bei Dienstreisen“ reicht locker für 12 Steuertipps. Motto: „Drücke mit einer Tasse Kaffee und einem Müsliriegel die Steuer!“ (Für Neulinge: Konz duzt seine Leser konsequent, „weil wir alle vom gleichen Steuerleid betroffen sind“.)

Sehr fantasievoll geht Konz auch mit der schlichten Tatsache um, dass man berufliche Fortbildungskosten von der Steuer absetzen kann. Daraus folgen gleich 17 Tipps, die von Referendaren bis Handwerksmeistern jede denkbare Zielgruppe erfassen: „Juble die Kosten für ein Zweitstudium dem Finanzamt unter!“ Konz kann denn auch gar nicht sagen, wie viele gesetzliche Ausnahmetatbestände er für seine Steuertricks nützt.

Allerdings kann er anhand der Leserzuschriften errechnen, wie viel seine Fans durch die Steuertricks sparen: Es sind im Durchschnitt etwa 120 Euro jährlich. Kirchhof erwartet sich weit mehr Geld.

Auch wenn sich der Ex-Verfassungsrichter mit seiner „10-Minuten-Steuererklärung“ durchsetzen sollte, fürchtet Konz nicht wirklich um seinen Ratgeber. Er hat sehr wohl wahrgenommen, dass Merkel inzwischen nur noch von einer „Vision“ spricht, wenn die Rede auf Kirchhof kommt. „Bis 2009 können meine Steuertricks sowieso noch laufen“, ist sich Konz sicher.

Konz sorgt vor

Außerdem hat er die „sportliche Herausforderung“ angenommen und „vorgesorgt“: Weil Kirchhof vor allem die Einkommensteuer reformieren will, werden sich im nächsten Konz noch mehr Tipps für die Körper- und Erbschaftsteuer finden.

Damit dringt Konz in das Geschäftsfeld der klassischen Steuerberater ein, die sich noch nie mit „Steuertipps für Laien“ abgegeben haben. Sie praktizieren stattdessen „Gestaltungsberatung“, wie die Bundessteuerberatungskammer erläutert. Was interessieren Steuern, wenn der Firmengewinn vorher schön klein gerechnet wurde?

Konz hat sich noch nicht bei Kirchhof gemeldet, um sich für die Werbung zu bedanken. Aber nun erwägt er es: „Das ist ein netter Hinweis, sehr verbunden.“