AUCH VON EINER KANZLERIN MERKEL HAT PUTIN NICHTS ZU BEFÜRCHTEN
: Hilfe aus Moskau

Wenn Kremlchef Wladimir Putin als Wahlhelfer anreist, verheißt dies für die entsprechenden Kandidaten nicht unbedingt etwas Gutes. Wir erinnern uns. In der Ukraine vor einem Jahr setzte der Erfinder der „gelenkten Demokratie“ nicht nur auf den unterlegenen Kandidaten, der Kremlchef war gar drauf und dran, den persönlichen Favoriten gegen alle Spielregeln ins Amt zu hieven. Dies war das einzige Mal, dass Bundeskanzler Schröder dem Freund ins Gewissen redete. Dieser schmollte, nahm sich aber zurück und dürfte im Nachhinein dem Mahner dankbar sein, dass er ihn vor größerer Schmach bewahrt hatte.

Tschetschenienkrieg, Gleichschaltung der Medien und eine Gerichtsbarkeit, die der Rechtsstaatlichkeit Hohn spricht, konnten den bilateralen Beziehungen zu Moskau gleichwohl nichts anhaben. Rücksicht gegenüber dem Nachbarn, der gemeinsamen Geschichte und – vor allem – den eigenen Wirtschaftsinteressen erschweren offene Worte. Dass sich daran unter einer CDU-geführten Regierung etwas ändern sollte, ist nicht zu erwarten. Angela Merkel wird dem Präsidenten als Demokraten nicht auch noch das Attribut „lupenrein“ verleihen, wie es der Kanzler in einem Moment unkontrollierten Affekts tat. Wortwahl und Atmosphärisches dürften sich ändern, das liegt schon an Herkunft und Wesen der Kandidatin. In der Sache aber ändert sich nichts.

Oder doch? Leicht abgekühlte Beziehungen könnten eine CDU-Regierung – im Interesse der eigenen Klientel aus Wirtschaftsbossen – vielmehr dazu verleiten, mit dem Nachbarn noch nachsichtiger zu verfahren. Wie sich das anstellen lässt, darauf versteht sich der Kreml. Moskau hat daher keinen Grund zur Besorgnis. Zwar gehört die propagandistische Troika aus Paris–Berlin–Moskau, die dem Kreml innenpolitisch eine stetige Dividende sicherte, der Vergangenheit an. Auch darüber kommt Moskau hinweg.

Grundsätzlich gilt: Je geringer der Minderwertigkeitskomplex gegenüber den USA, desto besser fährt Russland. Das könnte ein tragfähiges Fundament für einen befruchtenden Gedankenaustausch liefern. Vielleicht stoßen beide dabei auf Gemeinsamkeiten. KLAUS-HELGE DONATH