Die Objekte der Organe

Vor der Bundestagswahl ziehen Hamburgs Muslime eine vernichtende Bilanz von rot-grüner Politik. Harsche Kritik an Hamburger Terrorfahndung

„Auch wir haben Interesse an Sicherheit, aber wo bleibt der Dialog?“

von Eva Weikert

Mustafa Yoldas kann seine Verbitterung nicht verbergen: Als der Vorsitzende des Rats der Islamischen Gemeinden (Schura) in Hamburg am Mittwochabend in der Centrum-Moschee das Podium „Muslime vor der Wahl“ eröffnet, zittert seine Stimme: „Eigentlich haben wir gar keine Wahl“, erregt er sich. Ob unter der Union oder Rot-Grün – Muslime würden in Deutschland immer stärker ausgegrenzt, beklagt der Schura-Vorstand. Auch „in den Köpfen der Hamburger“ gebe es nach der Großrazzia vor zwei Wochen einen Generalverdacht. Wegen der „Hatz“, warnt Yoldas die zur Debatte über muslimische Wahlprüfsteine geladenen Politiker, wollten jetzt viele hiesige Muslime den Urnengang boykottieren.

Rund 50 Zuhörer waren gekommen, um sich über die Positionen von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei zu informieren. „Die geringe Resonanz zeigt, wie groß das Gefühl der Machtlosigkeit unter den Hamburger Muslimen ist“, so Yoldas. Die CDU hatte die Einladung aus Termingründen abgesagt. „Die Regierenden sprechen nicht mit uns, sondern nur über uns“, geißelte ein Gast im Publikum die Absage. „Wir fühlen uns allein als Objekt der Sicherheitsorgane.“

Heftige Reaktionen unter den Zuhörern provozierte denn auch das Thema Innere Sicherheit. Christa Goetsch (GAL), Dorothee Stapelfeldt (SPD), Christiane Schneider (Die Linke) und Reinhard Soltau (FDP) waren aufgefordert, zur vom Senat vor zwei Wochen ausgelösten Großfahndung gegen drei fälschlich des Terrors verdächtige Muslime Stellung zu nehmen. Goetsch verurteilte die Razzia „der Oberscharfmacher“ als „übertriebene Jagd“. Stapelfeldt forderte, „Muslime und Terroristen dürften nicht in eine Schublade geschoben werden“. Zugleich müsse der Staat aber „alles tun, um Terror zu verhindern“.

Kontrollen seien unverzichtbar, stimmte Soltau zu: „Wir müssen die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen.“ Schneider beharrte indes auf Ursachenforschung, um dem Terrorismus seinen Nährboden zu entziehen. Als Hauptursache für jüngste Anschläge machte sie den Irak-Krieg und „vielfache Diskriminierung“ von Migranten aus.

Übereinstimmend betonten die Politiker ihre Ablehnung von präventiver Sicherungshaft sowie von Einsätzen der Bundeswehr im Inneren bei der Terrorbekämpfung. Das Publikum dankte mit Applaus. „Auch wir haben Interesse an Sicherheit“, so ein Zuhörer, „aber wo bleibt der Dialog, um Fehlinformationen zu vermeiden?“

Goetsch bekräftigte daraufhin ihre Forderung nach Einbeziehung muslimischer Vertreter in öffentliche Gremien wie den Integrationsbeirat und den Rundfunkrat. Auch müssten, um das Zusammenleben zu fördern, im öffentlichen Dienst systematisch Migranten eingestellt werden. Das Tragen des Kopftuches dürfe dem nicht entgegenstehen, mahnte Goetsch und fand Lob bei FDP und Linkspartei. „Religiöse Symbole haben in Schulen nichts zu suchen“, widersprach hingegen Stapelfeldt und provozierte damit Unmut im Publikum: „Nur weil sie Kopftuch tragen“, sagte ein Mann, „sind Musliminnen nicht unaufgeklärt und unterdrückt.“

Schura-Vorstand Yoldas erklärte nach der Runde, „die Muslime sind nicht geneigt, wieder SPD zu wählen, wenn Otto Schily erneut Innenminister wird“. Grund seien „willkürliche“ Moscheen-Razzien bundesweit sowie Schilys Äußerung, der Islam sei „ein Irrweg“. Er kenne „viele Muslime“, so Yoldas, „denen das Programm der Linkspartei inzwischen am angenehmsten ist“.