Die Weltbank entdeckt die Ökologie

In einer neuen Studie erkennen die Weltbank-Experten an, dass der Erhalt natürlicher Ressourcen und soziales Kapital entscheidend für den Wohlstand eines Landes sind. Nach diesen Kriterien ist Deutschland das fünftreichste Land der Welt

VON NICOLA LIEBERT

Viele der ärmsten Länder der Welt betreiben Raubbau an ihrer Substanz. Zu diesem Schluss kommt die Weltbank in einem neuen Bericht. Unter dem Titel „Wo ist der Reichtum der Nationen?“, der auf Adam Smiths ökonomisches Grundsatzwerk „Reichtum der Nationen“ von 1776 anspielt, fragt sich die Weltbank, was im Kern den Wohlstand eines Landes ausmacht. Die Antwort: Der Reichtum steckt nicht nur in Banken und Fabriken, sondern auch in Böden, Wäldern und Meeren und in den Menschen selbst.

Betrachtet man die Entwicklung vieler Drittweltländer aber unter den Gesichtspunkten Ressourcen und Bildung, drohen sie trotz aller Anstrengungen zur Armutsbekämpfung insgesamt noch ärmer zu werden.

„Es wäre eine Tragödie, wenn das mit den Millenniumszielen bis 2015 Erreichte nicht zu halten wäre, weil die Rohstoffe abgebaut und die Fischbestände und Wälder erschöpft sind“, sagte der für nachhaltige Entwicklung zuständige Weltbankvize Ian Johnson. Er kritisierte, dass die Umwelt in der Entwicklungspolitik bislang viel zu wenig berücksichtigt werde: „Das gute Management von Ökosystemen ist der Schlüssel zu einem verantwortungsbewussten Wachstum.“

Mit der Studie nimmt die Weltbank die Kritik auf, dass zum Beispiel jeder gefällte Baum positiv in die herkömmliche Berechnung des Bruttoinlandsprodukts eingeht, nicht aber das lange, scheinbar unproduktive Drücken der Schulbank. Sie versucht daher – wie beim Ökosozialprodukt – den Wert von natürlichen Ressourcen, Bildungsniveau und Regierungsführung in Dollar und Cent auszurechnen.

Das ärmste Land der Welt ist demnach Äthiopien mit einem Pro-Kopf-Reichtum von umgerechnet 1.600 Euro, gefolgt von Burundi, Niger und Nepal. An der Spitze stehen die Schweiz mit 527.000 Euro pro Kopf, Dänemark, Schweden und die USA. Immerhin auf Platz fünf folgt die Bundesrepublik. Hier entfallen auf jeden Einwohner 404.447 Euro. Vor allem die weit überdurchschnittliche Ausstattung mit immateriellen Werten – neben Bildung zählt die Weltbank hierzu auch funktionierende staatliche Institutionen – sorgt für das relativ gute Abschneiden. Zählte man wie gehabt nur das Bruttonationaleinkommen (früher Bruttosozialprodukt) pro Kopf, würde Deutschland nur den 22. Platz erreichen.

Die Weltbank betont in ihrem Bericht die Bedeutung von Umweltressourcen gerade für Entwicklungsländer. Dort ist der Anteil natürlichen Reichtums meist viel höher als der Anteil des produzierten Reichtums. Doch zugleich ist gerade hier der Raubbau eklatant. „Wenn eine Familie ihr Bankkonto Monat für Monat überzieht oder Fahrzeuge oder Vieh verkaufen muss, um weiter Essen auf dem Tisch zu haben, dann würden wir daraus folgern, dass dies nicht nachhaltig ist. Das Gleiche gilt auch für ganze Länder“, erklärt der Hauptautor der Studie, Umweltökonom Kirk Hamilton.

Die Weltbank nennt jedoch auch Gegenbeispiele: Mauretanien etwa, das seinen Wohlstand durch den Schutz seiner Fischgründe sichert, oder Botswana, das seine Einnahmen aus der Diamantengewinnung in Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur investiert, zeigten, dass selbst arme Länder dem Raubbau entgegenwirken können.