Ab Montag wird angefochten

Nach dem Wahlsonntag kommt die Stunde von Wolfgang Löwer: Für den Bonner Staatsrechtler war die Kandidatur der Linkspartei nicht rechtens. Der Multi-Funktionär klagt, wo es nur geht

Rechtschreibreform, Tierschutz, Ökosteuer – Löwer steht für jedes Thema parat

von PASCAL BEUCKER
und FRANK ÜBERALL

Wolfgang Löwer? Bislang ist dieser Mann der Öffentlichkeit kaum bekannt. Am Montag könnte sich das ändern: Löwer will ganz alleine den Einzug der neuen Linkspartei in den Deutschen Bundestag stoppen – zur Not mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Am 19. September, einen Tag nach der Wahl wird Löwer Einspruch einlegen. Denn der Bonner Professor hält das Bündnis von der Linkspartei mit Kandidaten der Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) für unzulässig.

Aber wer ist Wolfgang Löwer? Der Mann mit dem runden Gesicht und dem lichten Haar gehört zu jener Spezies vor Schaffenskraft übersprudelnder Professoren, die staunend machen, dass sie vor lauter Arbeit überhaupt noch Zeit für ihre Lehrtätigkeit finden können. Der 1946 in Wuppertal geborene Jurist ist also wirklich ein vielbeschäftigter Mann: Seit 1990 lehrt er als Professor an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der ehrwürdigen Bonner Universität. Da Löwer seine Tätigkeit am dortigen Institut für Öffentliches Recht nicht vollständig ausfüllt, geht er einer Reihe anderer Beschäftigungen nach: So ist er zudem noch an der Uni als Prorektor für Planung und Finanzen zuständig. Darüber hinaus ist Löwer Mitglied in der Senatskommission für „tierexperimentelle Forschung“ bei der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG). Und er ist Studienleiter der Mittelrheinischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Bonn. Gefragt ist er indes quer durch die Republik: Wenn das Leipziger Institut für Verwaltung und Verwaltungsrecht in den neuen Bundesländern e. V. einen Referenten zum Thema „Grenzen wirtschaftlicher Betätigung der Gemeinden“ benötigt, ist Löwer zur Stelle.

Und egal, ob es um die Rechtschreibreform, den Tierschutz, die Ökosteuer oder Studiengebühren geht – wenn der Bundestag oder der nordrhein-westfälische Landtag Sachverständige suchen, finden sie Löwer. Manchmal überschlagen sich Anhörungstermine: Da muss der Professor dann schon mal zuerst nach Düsseldorf hetzen, um die dortigen Landtagsabgeordneten darüber aufzuklären, was er von einem geplanten „Studienkonten- und -finanzierungsgesetz“ hält, und nur wenige Tage später steht für ihn in Berlin die Öffentliche Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages zu dem rot-grünen Gesetzentwurf zur Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform auf der Tagesordnung. Das ist dann schon Stress.

Vor allem, wenn außerdem nicht nur sein Rat, sondern auch seine Tat gefragt ist. Zum Beispiel als Verfahrensbevollmächtigter der Bremer Schifffahrts- und Speditions-Gesellschaft Meyer und Co. GmbH bei deren Klage gegen die Ökosteuer vor dem Bundesverfassungsgericht. Oder beim NPD-Verbotsverfahren. Hier vertrat er den Bundestag als Prozessbevollmächtigter in Karlsruhe.

Nicht zu vergessen: Löwer ist der nordrhein-westfälische Landesverbandsvorsitzende des Deutschen Hochschulverbandes (DHV). Auch diese Aufgabe erfüllt er mit Hingabe. So attackierte der Vielbeschäftigte in seiner Funktion als Verbandsfunktionär im August 1999 mit Verve eine „Verordnung über die Lehrverpflichtung an Universitäten und Fachhochschulen“ der damaligen NRW-Wissenschaftsministerin Gabriele Behler (SPD). Besonders Paragraph fünf dieser Verordnung erboste Löwer. Denn dort wurde doch tatsächlich unter der Überschrift „Präsenzpflicht“ festgeschrieben: „In der Vorlesungszeit haben vollzeitbeschäftigte Professorinnen und Professoren ihr Lehrangebot an mindestens drei Tagen pro Woche zu erbringen und an vier Tagen pro Woche in der Hochschule für Aufgaben in der Lehre, Studienberatung und Betreuung zur Verfügung zu stehen.“ Ausnahmen dürften nur durch den Dekan bei Vorliegen wichtiger Gründe erteilt werden und seien dem Rektor mit Begründung anzuzeigen. Für Löwer ein Unding: „Den vielen Nachteilen dieser Regelung steht kein einziger Vorteil gegenüber“, wetterte er. „Schwarze Schafe werden dafür belohnt, die Beine auf den Schreibtisch zu legen“, so Löwer. Die Forschung dagegen bleibe „auf der Strecke, wenn ein Professor an jedem Wochentag für Verwaltungs- und Beratungsaktivitäten auf Zuruf zur Verfügung stehen muss“. Die von der Ministerin angeordnete Präsenzpflicht erziehe die Hochschullehrer zu einer „Stechkartenmentalität“.

Ebenso entschieden wie er die von ihm befürchtete „Stechkartenmentalität“ ablehnt, streitet Löwer für die Beibehaltung des Beamtenstatus für Professoren. Ganze Vorträge hat er dazu bereits gehalten. Nein, soweit bekannt, nicht während einer seiner Vorlesungen im Rahmen der Erfüllung der verordneten Präsenzpflicht an der Bonner Uni. Aber dafür auf einer „Fortbildungsveranstaltung“ Ende Februar 2000 an der Medizinischen Universität zu Lübeck.

Überschrieben mit der rein rhetorischen Frage „Berufsbeamtentum für den Professor, Notwendigkeit oder Privileg?“, führte Löwer dort in epischer Breite aus, dass das, was schon immer so war, auch immer so bleiben muss: „Es würden bei Aufgabe des Lebenszeitbeamten-Status aber Freiheitssicherungen preisgegeben, über deren Unverzichtbarkeit man sich in Deutschland über 200 Jahre hinweg stets bewusst gewesen ist.“ Es sei „auffällig, dass die Regelung, mit beamteten Hochschullehrern zu arbeiten, eine würdige Tradition hat, die Hegel gewiss zu der Behauptung veranlassen würde, dass das Gewordene auch hier das Vernünftige sei“.

Dass es solche Diskussionen wie die um den Beamtenstatus für Professoren heutzutage gibt, ist für Löwer ohnehin nur ein Resultat jener unseligen „Zäsur der Nachkriegsgeschichte von 1968“. Denn vorher war alles besser: „Vor 1968 musste die Reform sich im Angesicht des Bestehenden legitimieren, nach 1968 muss das Bestehende sich rechtfertigen.“ Das findet Löwer falsch.

Genauso wie die Zulassung der Landeslisten der Linkspartei mit Kandidaten der WASG. „Ich habe Zweifel, ob die Listen der Linkspartei – der ehemaligen PDS – rechtlich einwandfrei sind“, hat der konservative Professor deshalb auf allen Kanälen verkündet. Es gehe nicht an, so ist er überzeugt, dass hier zwei Parteien, die allein kaum die Fünf-Prozent-Klausel überwinden könnten, mit Hilfe solcher „Umgehungsgeschäfte“ in das Parlament einzögen. Deshalb wolle er eine grundsätzliche Klärung, „ob sich zwei Parteien derart opportunistisch zusammen schließen dürfen“.

Deswegen werde er nach dem Urnengang fristgerecht Einspruch gegen die Wahl einlegen. Der Wahlprüfungsausschuss wird dann die Wahl auf schwer wiegende Fehler überprüfen. Hat es die nach Ansicht des Gremiums gegeben, entscheidet der neu gewählte Bundestag über seine eigene Auflösung. Lehnt das Parlament diesen Schritt ab, will Löwer Wahlprüfungsbeschwerde vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe einreichen. Dazu braucht er die Unterstützung von 99 weiteren Wahlberechtigten. Das sei für ihn aber kein Problem, so Löwer. Er habe bereits viel Zuspruch für sein Vorhaben bekommen.