Sponsoren des Diktators

Noch bis zum vergangenen Jahr zahlte der größte britische Waffenkonzern Schmiergelder auf Konten des chilenischen Exdiktators Augusto Pinochet

AUS PORTO ALEGRE GERHARD DILGER

BAE Systems hat mehrere Jahre lang Schmiergelder an Chiles früheren Diktator General Augusto Pinochet gezahlt. Nach einem Artikel, den die Londoner Tageszeitung The Guardian gestern veröffentlichte, ließ der skandalumwitterte Luftfahrt- und Waffenkonzern zwischen 1997 und 2004 umgerechnet 1,5 Millionen Euro an die Briefkastenfirmen auf den britischen Jungferninseln überwiesen, die einem Bericht des US-Senats vom März zufolge die Schmiergelder an Pinochet weiterleiteten. Noch am 30. Juni 2004 zahlte BAE Systems zu diesem Zweck 189.940 Dollar.

Offenbar hängen die Zahlungen mit zwei geplanten Rüstungsgeschäften zusammen, der Entwicklung des Raketenwerfersystems Rayo und vor allem einem Joint Venture zur „Integration von Schifffahrtssystemen“ im „Schlüsselmarkt Chile“, wie es in einem vertraulichen Bericht des britischen Verteidigungsministeriums heißt. Für das 2003 abgeblasene Rayo-Projekt zahlte das chilenische Heer über 60 Millionen Dollar an BAE Systems. An die Marine sollten unter anderem Fregatten, Boote zur Küstenüberwachung und Radarsysteme geliefert werden. Da in Großbritannien seit 2001 Schmiergeldzahlungen an ausländische Staatsbeamte unter Strafe stehen, steht der größte britische Waffenkonzern jetzt unter Erklärungsdruck.

Bei den laufenden Ermittlungen gegen Pinochet in Chile stellen die Schmiergelder der Briten allerdings nur die Spitze eines Eisbergs dar. Vor Tagen berichtete die Tageszeitung La Tercera, der 89-jährige Exdiktator habe in den 90er-Jahren auch am Einkauf von 25 umgerüsteten Mirage-Flugzeugen bei der belgischen Luftwaffe und von 202 gebrauchten „Leopard“-Panzern beim holländischen Heer kräftig mitverdient. Beim Deal mit den Belgiern sollen Schmiergelder in Höhe von 15 Millionen Dollar geflossen sein, davon mindestens 100.000 an Pinochet. Auch eine Tochterfirma des chilenischen Heers tätigte nachweislich acht Überweisungen an eine Pinochet-Firma.

Untersuchungsrichter Sergio Muñoz, der wegen Steuerhinterziehung ermittelt und dabei bereits 128 Auslandskonten der Diktatorenfamilie ausfindig gemacht hat, schätzt deren Vermögen auf 27 Millionen Dollar. Mehr noch als die zahlreichen Verfahren wegen Menschenrechtsverletzungen während der Militärdiktatur (1973 bis 1990) könnten die immer neuen Enthüllungen über die Bereicherungen seines Clans dem greisen Diktator zum Verhängnis werden. Nach der vorübergehenden Festnahme seiner Frau und seines jüngsten Sohns im August hatte er erstmals die Verantwortung für Gesetzesverstöße übernommen.

Vorgestern kam eine weitere Hiobsbotschaft hinzu: In Santiago bestätigte der oberste Gerichtshof in letzter Instanz die Aufhebung der Immunität Pinochets mit zehn zu sechs Stimmen. Er kann jetzt wegen der Ermordung von 119 Regimegegnern 1975 angeklagt werden.

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