Arbeitsagentur holt sich Erwerbslose ins Haus

Die Geschäftsführung der Arbeitsagentur Bochum trifft sich mit ihren Kritikern. Auslöser war der Missbrauch von Ein-Euro-Jobs. Die Agentur gelobt Aufklärung verweist aber auf die prekäre Lage auf dem Arbeitsmarkt

BOCHUM taz ■ Der Wahlkampf ist vorbei, der Kampf um die Ein-Euro-Jobs geht weiter. Gestern trafen sich in der Arbeitsagentur Bochum der Geschäftsführer der Agentur, Luidger Wolterhoff und der Sprecher des Erwerbslosenforums Deutschlands, Martin Behrsing zum Gespräch. Thema war die Benachteiligung von Arbeitslosen, insbesondere Ein-Euro-Jobbern: Die Agentur habe trotz der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Verband zur beruflichen Förderung und Fortbildung (VBFF) „Tenus“ weiterhin mit ihm zusammenarbeitet. Dem Verband wird vorgeworfen, von der Agentur für Arbeit öffentliche Mittel zur Förderung von Ein-Euro-Jobs widerrechtlich erlangt zu haben. Die Qualifizierungsbedürftigen sollen etwa als Dozenten für weitere Ein-Euro-Jobber eingesetzt worden sein. Auch seien keine gemeinnützigen Aufgaben, wie gesetzlich vorgeschrieben, erfüllt worden.

„Aktuell werden keine weiteren Aufträge an Tenus vergeben“, sagt Agenturchef Wolterhoff. Außerdem befinde man sich in einem schwebenden Verfahren. Problematisch ist, dass die zur Arbeitsagentur Bochum gehörenden Arbeitsgemeinschaft für die Grundsicherung Arbeitsuchender (ARGE) in Bochum und Herne weiterhin mit dem Verein zur beruflichen Förderung von Frauen in NRW e.V. zusammen arbeiten. Da können schnell Verwechslungen auftreten. Obwohl beide Verbände VBFF NRW e.V und VBFF Tenus die selben Abkürzungen tragen, seien sie aber gesellschaftlich unterschiedlich. Immerhin: Die Adressen in Bochum sind die selben. „Wir können aber nur im Einzelfall prüfen, ob die Partner sich korrekt verhalten“, so Wolterhoff. Eine zukünftige Zusammenarbeit mit dem VBFF sei nicht ausgeschlossen.

Das Phänomen Ein-Euro-Jobs bringt weitere Probleme mit sich. „90 bis 95 Prozent der Jobs sind streng genommen nicht zusätzlich“, sagt Martin Behrsing. Die Zahl der Ein-Euro-Jobber liegt bundesweit bei 120.000 Reguläre Beschäftigungsverhältnisse werden verdrängt, auch Schwarzarbeit sei keine Ausnahme mehr. „Es werden Drohkulissen aufgebaut“, sagt ein Betroffener. Arbeiter würden unter Druck gesetzt. Die vom Bundeswirtschaftsministerium vorgeschriebene Stundenzahl von 30 Wochenstunden wird oft überschritten. Kosten für eventuellen Mehraufwand werden Mitte des Folgemonats ausgezahlt.

Luidger Wolterhoff kennt die Probleme: „Der erste Arbeitsmarkt ist nun mal dicht, wir müssen versuchen, einen ehrlichen zweiten Arbeitsmarkt zu bekommen.“ Die Arbeitsagentur wurde daher vom Erwerbslosenforum aufgefordert, eine Liste mit den Ein-Euro-Jobbern zu veröffentlichen, um einen Missbrauch zu verhindern. „Wir werden das rechtlich prüfen“, sagte Wolterhoff. Außerdem gebe es ja auch schon unangemeldete Kontrollen bei den Betrieben – am System Ein-Euro-Jobs könne aber nicht gerüttelt werden. Wer Probleme habe, solle sich an die Beschwerdestellen wenden.

Das Treffen zwischen Agentur und Erwerbslosenforum hatte noch einen weiteren Grund. Der Agentur wurde vorgeworfen, der Landesentwicklungsgesellschaft NRW (LEG) und der Stadt Bochum Ein-Euro-Jobber zur Renovierung der Bochumer Jahrhunderthalle zur Verfügung gestellt zu haben. Weder Art der Beschäftigung noch Träger der Maßnahme seien bekannt. Für das Erwerbslosenforum Grund genug, der Agentur die Auszeichnung „A des Monats“ zu verleihen (taz berichtete). Wofür das „A“ steht wollte Forumssprecher Martin Behrsing übrigens nicht sagen. Agenturchef Wolterhoff nahm es trotzdem entgegen.

HOLGER PAULER