Schauprozess gegen „Terroristen“

In Usbekistan wird 15 Männern der Prozess gemacht, die vom Regime für die Unruhen in Andischan verantwortlich gemacht werden. Ihr umgehendes Schuldeingeständnis führen Menschenrechtsorganisationen auf mutmaßliche Folter zurück

Der Bürgerprotest gegen Willkür wird zum islamistischen Putsch umdefiniert

AUS BISCHKEKMARCUS BENSMANN

Vier Monate nach dem Massaker von Andischan hat in in dieser Woche in Taschkent der Schauprozess gegen 15 angebliche islamische Terroristen begonnen. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hätten die angeklagten Männer im Mai den Aufstand in der usbekischen Provinzstadt angezettelt. „Ihre Aufgabe war, mit ausländischer Unterstützung die Lage zu destabilisieren“, sagte Staatsanwalt Anwar Nabajew. Gleich am Dienstag, dem ersten Prozesstag, bekannten sich die Angeklagten gemäß einer in Usbekistan bei so genannten Terroristenprozessen üblichen Prozessregie für schuldig. Sie müssen mit der Todesstrafe oder langjährigen Haftstrafen rechnen.

Für die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch (HRW) und amnesty international ist der Prozess Teil einer großen Vertuschungskampagne. „Anstatt die Verantwortlichen zu verfolgen, versucht die usbekische Regierung, Zeugen zum Schweigen zu bringen“, heißt es in einem HRW-Bericht. Man müsse davon ausgehen, dass die Schuldeingeständnisse unter Folter zustande gekommen seien. Zudem beschuldigte der Staatsanwalt namentlich die Korrespondenten, die vor Ort von dem Massaker berichtet hatten, eine Medienkampagne gegen den usbekischen Staat organisiert zu haben.

Am 13. Mai hatten Truppen des Innenministeriums ohne Vorwarnung einen Volksaufstand niedergeschossen. Nach Erkenntnissen von HRW wurden über 700 zum größten Teil unbewaffnete Menschen getötet. Die Regierung spricht jedoch von der Niederschlagung eines islamistischen Putsches. Die in Andischan anwesenden Journalisten hatten jedoch etwas anderes gesehen. Der Aufstand war eine Bürgererhebung gegen Rechtswillkür. Dem Massaker war ein Prozess gegen 23 Andischaner Bürger vorausgegangen.

Diese Männer waren allesamt Kleinunternehmer aus der Region, gegen deren Verhaftung mehr als 2.000 Menschen aus Andischan über ein Jahr lang friedlich demonstriert hatten. Zwei Tage vor dem Massaker musste der damalige Provinzstaatsanwalt eingestehen, dass diese Männer weder des Terrorismus noch verfassungsfeindlicher Aktivitäten angeklagt seien oder Straftaten begangen hätten. Als dann der Geheimdienst weitere zuvor friedliche Demonstranten verhaftete, entlud sich der Zorn der Menschen.

In der Nacht zu einem Freitag stürmten Hunderte Männer zuerst eine Kaserne und dann das Gefängnis und befreiten gewaltsam die Insassen. Danach besetzten die Andischaner Bürger das Gouverneursgebäude in der Stadt. Im Tagesverlauf versammelten sich auf dem Platz davor mehrere tausend Menschen, um gegen die Staatswillkür zu protestierten. Dabei wurden kein einziges Mal islamistische Parolen gerufen noch die Errichtung eines islamischen Staates gefordert. Auch wurden die Männer, Frauen und Kinder nicht gezwungen, wie die Staatsanwaltschaft behauptet, auf dem Platz zu bleiben. Am späten Nachmittag eröffneten von Panzerwagen aus die usbekischen Sicherheitskräfte ohne Warnung das Feuer auf die Menschen.

Der usbekische Staat versucht die Massentötung als ein Hirngespinst der Journalisten darzustellen und islamische Extremisten für den Aufstand verantwortlich zu machen. Schützenhilfe erhielt Taschkent von Russland und China. Der russische Geheimdienst war sich nicht zu Schade, gar Taliban und Tschetschenen in Andischan ausgemacht zu haben. Die USA und die EU forderten eine internationale Untersuchung, der sich der usbekische Präsidenten Islam Karimow bisher widersetzt. Angedrohte Sanktionen von Seiten der EU bleiben jedoch bisher aus.

Derweil setzte in Usbekistan eine regelrechte Verfolgungskampagne ein. Menschenrechtsaktivisten und Zeugen werden willkürlich verhaftet. Schätzungen zufolge sind mehrere tausend Menschen in Folterkellern verschwunden. Einheimische Journalisten werden eingeschüchtert oder verhaftet, ausländischen Korrespondenten werden Reisen nach Andischan und Usbekistan verwehrt.