Afrika im Schatten des eigenen Ölbooms

Der diesjährige Weltkongress der Ölindustrie findet erstmals in Afrika statt. Westafrika ist der Hoffnungsträger der globalen Ölindustrie auf der Suche nach neuen Reserven. Doch in Kamerun geht der Boom an den Menschen vorbei – und nicht nur dort

Öl in Afrika ist allzu oft eine Exklavenwirtschaft kolonialen Stils

AUS KRIBI DOMINIC JOHNSON

Tagsüber ist sie im Dunst zuweilen kaum zu sehen, nachts leuchtet sie hell in den schwarzen Himmel: die Ölverladestation vor Kribi an der Atlantikküste von Kamerun. 20 Kilometer vor der westafrikanischen Küste endet hier an einem Terminal im Meer die Pipeline, die täglich 225.000 Barrel Öl aus Tschad heranbringt. Am Horizont eines der schönsten Touristenstrände Afrikas docken nun täglich Tanker an, um das Öl auf die Weltmärkte zu verschiffen.

Westafrika ist die weltweit am schnellsten wachsende Ölförderregion, und erstmals findet der „World Petroleum Congress“ in Afrika statt, vom 25. bis 29. September im südafrikanischen Johannesburg. Am Golf von Guinea werden schon jetzt 4 Millionen Barrel am Tag produziert; bis 2009 sollen es 5,5 Millionen werden und ein Fünftel des US-Bedarfs decken. Der Bau der Pipeline von Tschad nach Kamerun und die Aufnahme der Ölförderung waren das bisher größte einzelne Privatinvestitionsprojekt in Afrika südlich der Sahara. Afrika liegt als Rohölquelle für Europa und Nordamerika nur knapp hinter dem Nahen Osten. Und auch Ölfirmen aus Asien drängen in Afrikas Ölgebiete.

Für den Krisenkontinent Afrika müsste der Ölboom ein Segen sein. Doch ein großer Teil der Förderung erfolgt „offshore“, in Tiefseebohrungen im Atlantik – nominell dem Land zugeordnet, tatsächlich aber von den Ölmultis in Absprache mit den Regierungen unter Umgehung der lokalen Wirtschaft durchgeführt. Das gilt auch für Ölfelder im Binnenland: Öl in Afrika ist allzu oft eine Exklavenwirtschaft kolonialen Stils, auf den Weltmarkt ausgerichtet statt auf die Entwicklung der Region.

Als die Ölpipeline von Tschad nach Kamerun im Herbst 2003 eingeweiht wurde, setzte in Kribi ein Bauboom ein. Jetzt stehen viele der neuen Hotels leer oder im Stadium des Rohbaus herum. Das Business liebt es diskreter. Wer Chinesen beim Geschäftsgespräch sucht, muss in die unscheinbare Strandbar gehen. Zum Tanzen verschwinden die Gäste des Palm Beach Hotel in einen unterirdischen Nachtklub.

Bisher lebte Kribis Wirtschaft von der Fischerei. Dass Pipeline und Tanker die Meeresfischerei beeinträchtigen könnten, wurde bei den Verhandlungen ignoriert. Erst jetzt entsteht in Kribi ein Fischereihafen mit Kühlhallen und geregelten Verkaufsbedingungen – nicht auf Betreiben von Regierung oder Ölfirmen, sondern als Projekt der japanischen Entwicklungshilfe.

Zwar pocht die Weltbank als Kreditgeber mit regelmäßigen Kontrollberichten auf die Einhaltung der sozialen und ökologischen Bedingungen ihrer Kredite und eine transparente Verwendung der Öleinnahmen. Doch Nichtregierungsorganisationen kritisieren die Kontrolle als zahnlos. Anfang September warnte amnesty international, im Streitfall hätten die Regierungen Tschads und Kameruns kaum eine Handhabe gegenüber dem Förderkonsortium unter Führung von Exxon-Mobil. Die Menschenrechtsgesetzgebung verpflichte Regierungen, die Gesundheit, Umwelt und Arbeitsbedingungen zu verbessern; „zugleich drohen die Investitionsabkommen Tschad und Kamerun mit Bußgeldern, falls sie die Klauseln über Rechtssicherheit verletzen“, rügt ai. „Staaten können ihrer rechtlichen Verpflichtung nicht einfach entkommen, indem sie Investitionsabkommen unterschreiben.“

Doch, in Afrika können sie das. In Kribi berieten kürzlich Vertreter aus mehreren afrikanischen Ländern auf einer Konferenz des „Pole Institute“ aus der Demokratischen Republik Kongo über Möglichkeiten des Aufbaus besserer Regierungsstrukturen von unten. „Schaffen und Verteilen von Reichtum ist eng mit Fragen der Regierungsführung und der Bürgerrechte verknüpft“, stellten die Teilnehmer fest und verlangten „Mechanismen der lokalen Mitbestimmung“ bei Planung von Ressourcennutzung und Verwendung der Einnahmen daraus. Solche Fragen werden kaum auf der Agenda der Ölindustrie stehen. Vielleicht aber eine Sorge, die ein Kameruner Lokalpolitiker beim Blick auf die Verladestation äußert: „Jetzt läuft das noch problemlos. Aber irgendwann wird die Pipeline kaputtgehen, und niemand wird sie reparieren, so wie immer in diesem Land. Und dann ist hier alles hinüber.“