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: Außen Despot, innen Minister

Dass Otto Schily ein Hardliner ist, gehört zu den älteren Hüten der Republik. Gestern beim Jahreskongress der Zeitungsverleger lief der Innenminister und oberster Dienstherr des Bundeskriminalamtes (BKA) aber noch mal zu absolut obrigkeitsstaatlichem Format auf: „Weder die Verfassung noch die Gesetze kennen eine Freizeichnung des Journalisten von den Gesetzen“, beschied Schily. Und das gelte vor allem für solche Pressevertreter, „die Beilhilfe zum Geheimnisverrat leisten“.

Wegen dieses formalen Verdachts hatte das Monatsmagazin Cicero am 12. September Besuch bekommen: Staatsanwälte und Ermittler durchsuchten die Potsdamer Redaktion und die Privatwohnung des Cicero-Mitarbeiters Bruno Schirra in Berlin. Denn das BKA sucht undichte Stellen im eigenen Apparat: Vor mehreren Monaten (!) hatte das Magazin für einen Artikel über den Terroristenführer Abu Musab al-Sarkawi sich angeblich aus Akten des BKA bedient.

Und die Aktion, laut Spiegel selbst von Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm als „Angriff auf die Pressefreiheit“ gebrandmarkt, trifft nicht nur weiterhin Schilys ungeteilte Zustimmung: „Es wäre ein großer Denkfehler, das als Beschneidung der Pressefreiheit zu sehen.“ Denn die „Wächterfunktion der Presse“ bedeute nun mal nicht, „dass jede geheime staatliche Unterlage weitergegeben werden kann“ – als hätte das jemand behauptet.

Doch wenn in Sachsen die Telefonverbindungen missliebiger Journalisten durchforstet werden, weil diese einem Tipp über Verfehlungen eines Exministers nachgegangen waren (taz vom 3. u. 8. 9.), ist die Verhältnismäßigkeit doch wohl komplett aus den Fugen. (Ganz nebenbei: Dass der ansonsten eher durch seine Blässe bestechende Verlegerpräsident Helmut Heinen hier klare Worte an die Adresse Schilys fand, war gut so.)

Schily lässt so was kalt: „Wir lassen uns nicht das Recht des Staates nehmen, seine Gesetze durchzusetzen.“ Und auch sonst mag er die Presse nicht besonders: In den letzten drei Monaten hätten sich manche Medien „an die Stelle des Souveräns“, also des Volks, gesetzt, Wahlhilfe für Schwarz-Gelb inklusive. Da ist einiges dran. „Vielleicht gibt es auch ein merkwürdiges Verständnis von Demokratie“, schob der Minister nach. Das ist – mit Verlaub – Schwachsinn. Und lässt sich nur dank der Bemerkung von Schilys Exparteikollegen Bodo Hombach, heute WAZ-Geschäftsführer, ertragen: „Dass auch Dinosaurier traurig werden, macht mich nachdenklich.“

STEFFEN GRIMBERG