Streikende Seeleute vor Bastia verhaftet

Soldaten entern das entführte Fährschiff. Matrosen protestieren gegen den geplanten Verkauf der staatlichen Fährlinie an einen US-Investmentfonds. Dessen Chef ist ein Bekannter des französischen Premierministers de Villepin

PARIS taz ■ Vermummte Antiterrorsoldaten der Eliteeinheit GIGN haben gestern Morgen vor dem Hafen der korsischen Stadt Bastia das Schiff „Pascal Paoli“ geentert. Sie ließen sich aus Hubschraubern auf das Fährschiff herab, das am Vortag von streikenden Seeleuten aus dem Hafen von Marseille nach Korsika entführt worden. Die Matrosen protestierten damit gegen den geplanten Verkauf der staatlichen Fährgesellschaft SNCM an einen Investmentfonds.

Die Soldaten legten den rund 30 Seeleuten Handschellen an, ließen sie an Deck niederknien und stellten ihnen Gefängnisstrafen von bis zu 20 Jahren in Aussicht. Dann fuhr das Schiff in Richtung Festland zurück.

In Paris lenkte Regierungschef Dominique de Villepin persönlich den Militäreinsatz. Gleichzeitig machte sein Transportminister einen kleinen Rückzieher vor den Streikenden: Statt der hundertprozentigen Privatisierung der Fährgesellschaft SNCM erwägt Dominique Perben jetzt eine künftige staatliche Beteiligung an dem Unternehmen als Minderheitsaktionär. Tags zuvor war bekannt geworden, dass die Regierung die Firma an den franco-amerikanischen Investmentfonds „Butler Capital Partners“ verkaufen will. Dafür verlangt die Regierung 35 Millionen Euro, will aber vorher noch 115 Millionen Euro aus der Staatskasse in die SNCM investieren. Die Aufkäufer wollen 400 der 2.400 Seeleute entlassen. Der Wert der Flotte der SNCM wird auf mehr als 450 Millionen Euro geschätzt.

In Marseille, dessen Hafen auch gestern von streikenden Seefahrern und Dockern blockiert war, und in Bastia ist die Sympathie mit der Entführung der „Pascal Paoli“ durch Männer von der nationalistischen korsischen Gewerkschaft STC enorm. „Wir unterstützen sie“, erklärte ein Sprecher der Gewerkschaft für leitende Angestellte in Marseille. Und Jean-Paul Israël, Chef der größten Seefahrergewerkschaft CGT, schickte seinen gefesselten Kollegen an Bord der „Pascal Paoli“ eine öffentliche „Freundschaftsbotschaft“. Israël macht allein den Staat für ihre Verbitterung verantwortlich.

Auch in der Pariser Opposition sorgen die Umstände der Privatisierung der Fährgesellschaft SNCM für Kritik. Laut Julien Dray, Sprecher der Sozialisten (PS), hat die „schlechte Unternehmensführung“ der Regierung zu dem enormen Defizit der SNCM geführt. Paul Giacobbi, Abgeordneter der mit der PS verbandelten PRG, nennt die Privatisierung der SNCM eine „Entführung öffentlichen Guts“. Die Regierung habe alles Nötige unternommen, um die Fährgesellschaft SNCM schlecht zu machen: „Wenn man Freunden etwas zu einem günstigen Preis verkaufen will, muss man das so machen.“ Damit ist Walter Butler gemeint, der Chef des gleichnamigen Investmentsfonds. Butler ist mit Regierungschef de Villepin persönlich bekannt. Und sitzt als dessen Berater im „Rat für Wirtschaftsanalyse“.

Die SNCM steht unter dem Druck privater Anbieter. Diese zahlen Niedriglöhne, kaufen ihre Schiffe in Billiglohnländern und sind nicht dazu verpflichtet, zu allen Zeiten – auch außerhalb der Hauptsaison – zu fahren.

DOROTHEA HAHN