Pommes in giftiger Verpackung

Fettabweisendes Papier steht unter einem bösen Verdacht: Die FTOH-Beschichtung kann hochgiftige Folgeprodukte bilden. Ausländische Experten fordern ein EU-Verbot. Auch deutsche Wissenschaftler haben das Problem auf der Agenda

VON HANNA GERSMANN
UND REINHARD WOLFF

Das neue Gift steckt in Verpackungen. Genauer: in beschichtetem Papier, mit dem Hamburger, Käse oder Pommes eingewickelt sind. Der Stoff heißt: FTOH (Fluortelomer-Alkohol). Bislang galt die fett- und wasserabweisende Chemikalie als harmlos. Doch jetzt warnen Forscher, sie könne gefährlicher sein als das berüchtigte Insektengift DDT. Dieses kann Krebs erzeugen und ist in Deutschland verboten.

Als Erstes hatte Wochen Scott Mabury, Umweltchemiker von der Carlton University im kanadischen Ottawa, vor einigen Wochen den Giftverdacht geäußert. Die europäischen Länder reagierten unterschiedlich besorgt. „Unsere Experten werden sich auf einem Treffen im November damit beschäftigen“, sagte Thorsten Wiegers, Sprecher des Bundesinstituts für Risikobewertung, gestern der taz.

Schweden und Norwegen haben hingegen in diesem Monat schon zwei Arbeitsgruppen gegründet. Sie sollen zunächst herausfinden, wo FTOH verwendet wird, um dann Ersatzstoffe zu suchen. Am weitesten ist Finnland: FTOH ist dort nicht mehr erlaubt. Ein europäisches Verbot müsse her, findet Nils Gunnar Lindquista, Vizedirektor der schwedischen Chemiebehörde. Deutsche Beamte wagen sich indes noch nicht so weit hervor.

Dabei gibt es laut Lindquista gute Gründe für einen EU-Vorstoß: FTOH könne ein größeres Problem als alle bisher bekannten Chemikalien werden, sagte er dem Svenska Dagbladet. Die Substanz reichere sich über Jahre im menschlichen Körper, aber auch in der Natur an. So sei FTOH bereits in Eisbären nachgewiesen worden. Der Chemiker erklärt die Wirkungen so: Die verdächtige Substanz könne sich in die Säure PFOA (Perfluoroktansäure) umwandeln. Die könne wiederum ähnlich reagieren wie PFOS (Perfluoroktansulfonat). Und diese Chemikalie schädige erwiesenermaßen Föten im Mutterleib und die Leber.

PFOS ist jedoch nicht nur ein zufälliges Abbauprodukt, sondern wird zur Imprägnierung von Kleidern und Möbelbezügen verwendet. Und es zeigt, wie schwer Stoffverbote durchzusetzen sind: Die chemische Industrie und die Textilbranche haben jede Regelung torpediert. Als sich die Hinweise auf die Giftigkeit der Chemikalie häuften, ließen sich die Produzenten nur auf ein Versprechen ein: Sie sagten zu, eine Alternative zu entwickeln – herausgekommen ist FTOH.

Die kanadische Studie lässt nun vermuten, dass der Ersatzstoff noch problematischer sein könnte als das Original. Wie giftig ein Stoff ist, finden die Wissenschaftler häufig erst heraus, wenn die Produkte schon jahrelang auf dem Markt sind, beklagt der schwedische Umwelttoxikologe Stefan Gabring. Er fordert: „Künftig müssen die Substanzen besser getestet werden, bevor sie verkauft werden.“