Warum so empfindlich?

Nicht gegendarstellungsfähig (XXI): Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Was ist Pressefreiheit?

Großes Geschrei: Redaktionsräume in Potsdam werden durchsucht, um die Verletzung von Dienstgeheimnissen aufzuklären. Es wird – falsch – von den Medien behauptet, die Redaktionsräume seien durchsucht worden, um zu klären, ob die Journalisten mit vertraulichen Unterlagen des Bundeskriminalamts arbeiten durften. So schätzte nicht nur Springers Welt die Lage ein: die Pressefreiheit und der Informantenschutz seien in Gefahr.

Ebenfalls großes Geschrei: Zuerst tut’s der Bundeskanzler in der Elefantenrunde, hernach kritisieren auch verschiedene Sozen die Medien, weil sie in parteilicher Weise den Wahlkampf begleitet und für einen Wechsel geworben haben sollen. Das Bundespresseamt plant für den 13. Oktober eine Tagung zum Thema „Die Rolle der Medien im Wahlkampf“. Auch das, so meinen verschiedene Journalisten, gefährde die Pressefreiheit.

Dazu gilt: Das Dienstgeheimnis, das Beamte bindet, dient auch dem Schutze von Betroffenen und damit all jenen, denen der Staat zumutet, dass er über sie Daten sammelt. Diese Daten dann an die Presse weiterzugeben, dazu ist weder der Staat ermächtigt, noch ist das den Betroffenen zuzumuten. Im Widerspruch zum Informationsbedürfnis der Presse können also Ansprüche von Betroffenen stehen, die ihre vom Staat untersuchten oder dem Staat überlassenen Angelegenheiten nicht coram publico erörtert sehen wollen. Natürlich werden auch Staatsaufgaben geschützt.

Wenn nun ein Beamter unter Bruch seiner Geheimhaltungspflichten Informationen an Journalisten weitergibt, kann dies durchaus das geschützte Recht Dritter verletzen. Dass der Staat nicht nur die darin liegende Straftat aufklären darf, sondern aufklären muss, ist klar: Der Staat hat auch die Opfer der Datenverbreitung zu schützen.

Wenn ein Journalist die Unterlagen nur passiv entgegennimmt, hat nicht er sich damit strafbar gemacht – sondern der Beamte, der sie ihm überlassen hat. Schon dann darf durchsucht werden, beim Journalisten als Zeugen. Stiftet der Journalist den Beamten – etwa mittels Geldversprechen – zur Preisgabe vertraulicher Informationen erst an, dann hat er sich selbst auch strafbar gemacht.

Warum aber sollte allein der Arbeitsplatz der Journalisten von vornherein außerhalb staatlicher Aufklärung von Straftaten gestellt werden? Bei jedem anderen darf doch auch durchsucht werden, wenn ein Verdacht nicht anders aufgeklärt werden kann. Außer Frage steht übrigens, dass der Journalist mit den Unterlagen, wenn er sie denn erst mal hat, auch arbeiten darf.

Wenn die Bundesregierung oder einzelne Mitglieder die Medien kritisieren, dann gefährdet auch das die Pressefreiheit nicht. Pressefreiheit heißt schließlich nicht, dass die Presse ihr Werk jenseits öffentlicher Kritik betreiben darf. Die Empfindlichkeiten der Medien sind daher gänzlich unangebracht.

Allerdings besteht kein Recht, öffentliche Mittel für diese Kritik einzusetzen: Keinerlei Rechtfertigung gäbe es beispielsweise dafür, wenn die Tagung des Bundespresseamtes mit öffentlichen Geldern finanziert würde.

Nachdem zwei medienwissenschaftliche Institute die Organisation der Tagung zur „Rolle der Medien im Wahlkampf“ abgelehnt hatten, erklärte Regierungssprecher Béla Anda in der vergangenen Woche kleinlaut, der Kongress sei „zunächst ad acta gelegt“. Der Grund, laut Anda: „Es fehlt die Zeit, um so etwas seriös zu entwickeln.“

Unser Autor ist Rechtsanwalt in Berlin