Am Ende

Bürgerjournalismus für die einsame Welt der über 50-Jährigen: das Scheidungsmagazin „RosenKrieg“

Die beiden Herausgeber haben selbst Scheidungserfahrung: Marion von Gratkowskis Eltern wurden immerhin geschieden, und Mike H. Neumanns Trennung ist erst ein Jahr her. Daher weht bestimmt der Wind. Daher kommt die Idee, ein Magazin zum Thema Trennung zu machen. Auf dem Editorialfoto, das genauso seltsam verschwommen aussieht wie sämtliche anderen Bilder im Heft, stehen Gratkowski und Neumann vor einem Amtsgericht. Gratkowski guckt adrett in die Kamera, Neumann – die stolz schulterlangen Haare des 51-Jährigen erklären das legere „Mike“ – zuppelt an seiner schwarzen Sonnenbrille, als hätte er Angst, die Exfrau könne ihn erkennen.

Als Printprodukt ernst nehmen kann man den RosenKrieg jedenfalls nicht. Oder vielleicht doch, wenn man ansonsten am liebsten in Abizeitungen und boulevardesken Tatsachenstorys blättert: Der RosenKrieg, das erste „Magazin für Scheidung, Trennung und Neuanfang“ aus dem klitzeklitzekleinen Lutz-von-Gratkowski-Verlag wirkt wie ein liebevoll gemachtes Selbsthilfeblättchen einer vornehm gealterten Männer- oder wahlweise Frauengruppe. Rührende Erfahrungsberichte über betrogene Frauen, unglückliche Kinder und glücksverheißendes Internetdating wechseln sich mit grob gepixelten Tabellen, schlecht gedruckten Fotos und trockenen Anwaltsinfos ab. Irgendwie kann man dem RosenKrieg aber auch nicht böse sein: Das Fehlen jeglicher Mediengroßmäuligkeit, das geradezu anachronistisch schlechte Layout und der trotzig ausgelebte komplette journalistische Dilettantismus machen das Heft zu einem Kleinod – wo sonst bekommt man einen so authentischen Einblick in die Welt einsamer Ü-50s auf dem Land? Die Homepage ist folgerichtig mit einer Datingseite verlinkt – die Geschiedenen von heute sind schließlich die hoffnungsfrohen Singles von morgen.

Der RosenKrieg stellt das Ältere Semester-Pendant der „Alle können alles“- Einstellung einer „Deutschland sucht den Superstar“-Gesellschaft dar. Oder die logische Folgerung der Demokratie des Bloggens, gepaart mit echtem Gefühl und gebrochenen Herzen, die Energien frei setzen: Wenn einem ein Thema in den Medien fehlt, dann druckt man sich eben eine eigene Zeitung, in die man alles hineinwirft, was man mag. Natürlich gibt es auch im RosenKrieg eine Witzecke, die onkelige „verflixte Seite 7“. Auf deren Mitte prangen zwei Comics, darunter ein Witz mit einer Barbiepuppe, die viel teurer ist als die anderen, weil zu „Barbie ist geschieden“ auch noch „Kens Auto, Kens Haus und Kens Boot“ gehören. Ist doch lustig. Hoffentlich fällt den Herausgebern noch ein zweiter Scheidungswitz ein. Nur falls für die nächste Ausgabe in zwei Monaten noch Geld da ist. JENNI ZYLKA