„Höhere Zäune helfen nicht“

Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach ist für Asyl und gegen Zuwanderungsquote

taz: Herr Bosbach, unter Todesgefahr klettern Afrikaner über die Zäune der spanischen Städte in Nordafrika. Sie fliehen vor der Armut, eine andere Perspektive sehen sie nicht. Muss Europa diesen Menschen ein Angebot machen und sagen: „Eine bestimmte Zahl pro Jahr nehmen wir auf“?

Wolfgang Bosbach: Das wäre keine Lösung. Der Druck der Einwanderung würde trotzdem in unverminderter Stärke anhalten. Wir sind in Europa auch gar nicht in der Lage, mehr Menschen aufzunehmen, als es gegenwärtig schon geschieht. Das gilt sowohl ökonomisch als auch unter dem Gesichtspunkt der Integration. Deswegen müssen wir versuchen, die Gründe für die Flucht zu bekämpfen. Die Menschen fliehen vor Armut, Hunger, Epidemien und Kriegen.

In Europa leben 380 Millionen Menschen. Warum würde eine Million legaler Zuwanderer pro Jahr die ökonomische Kraft unseres reichen Kontinents überfordern?

Wir haben schon für die Zuwanderer, die augenblicklich nach Deutschland kommen, nicht genug Arbeitsplätze. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir mehr Menschen aufgenommen als die meisten Länder dieser Erde – und wir merken, dass wir an der Grenze unserer Leistungsfähigkeit angekommen sind.

Es wird 30 oder 40 Jahre dauern, bis Schwarzafrika nicht mehr im Elend lebt. So lange werden viele ihr Heil in der Auswanderung suchen. Was wollen Sie diesen Leuten sagen?

Natürlich kann die Armutsbekämpfung nicht von heute auf morgen erfolgreich sein. Doch trotzdem dürfen wir das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Bei der Entwicklungshilfe wird man zu dem Ergebnis kommen, dass eigentlich noch mehr getan werden müsste.

Einerseits steigt die Entwicklungshilfe zu langsam, andererseits hat Europa nicht immer den Einfluss, Bürgerkriege in Afrika zu verhindern.

Die Vereinten Nationen bemühen sich schon nach Kräften, Kriege im Keim zu ersticken. Aber die Alternative kann doch nicht sein, dass Europa Menschen aus allen Krisengebieten der Welt aufnimmt.

Es geht nicht darum, sich für die ganze Welt zu opfern. Aber die illegale Flucht würde abnehmen, wenn die Flüchtlinge sehen: Einige von uns haben eine berechenbare Chance.

Unser Recht kennt grundsätzlich weder Quoten noch Höchstzahlen.

Das ließe sich ändern.

Was ich für falsch hielte. Denn in unserem Grundgesetz steht das Recht auf politisches Asyl für den Fall, dass jemand zum Beispiel wegen seiner Herkunft, Rasse, Religion oder politischen Überzeugung verfolgt wird. Das wollen Sie doch nicht abschaffen? Eine zusätzliche Einwanderungsquote würde die Aufnahmekraft Deutschlands weit überfordern.

Entweder gibt es das Asylrecht oder eine Quote – beides zusammen geht nicht?

Genau. Und da möchte ich das Asylrecht erhalten. Denn Humanität ist nicht kontingentierbar.

Wäre es sinnvoll, als erste Anlaufpunkte für die Flüchtlinge Lager in Afrika einzurichten – wie Bundesinnenminister Otto Schily vorgeschlagen hat?

Nein. Das wäre ein zusätzlicher Ansporn zur Flucht. Die Menschen würden die Lager mit der Hoffnung verbinden, in kurzer Zeit in Nordamerika oder Europa anzukommen.

Kann es eine Lösung sein, die Zäune an der Südgrenze Europas immer höher zu bauen?

Auch das wird nichts helfen. Wenn Menschen verzweifelt sind, suchen sie sich immer wieder neue Wege. Wir müssen alles dafür zu tun, dass die Menschen in ihrer Heimat besser leben können. INTERVIEW: HANNES KOCH