„Der Ölpreis wird tendenziell steigen“

Die Ölkonzerne suchen intensiv nach Öl. Doch viel werden sie nicht finden, prognostiziert Erdöl-Geologe Sattler

taz: Herr Sattler, die Inflation ist durch die hohen Ölpreise stark gestiegen. Gleichzeitig werden die Ölkonzerne 2005 die Rekordsumme von 140 Milliarden Euro investieren, um neue Ölfelder zu finden. Werden die Preise also wieder sinken?

Carl-Diedrich Sattler: Natürlich wird man Ölquellen finden. Allerdings dürften die Funde nicht ausreichen, um den Ölpreis langfristig sinken zu lassen. Denn nahezu alle Fördergebiete produzieren am Limit. Wenn man überhaupt nennenswerte Vorkommen findet, dann wahrscheinlich offshore, also auf hoher See. Doch wird das langfristig nicht ausreichen, um den Förderrückgang in anderen Regionen auszugleichen.

Aber die Ölindustrie ist doch so optimistisch.

Ein bisschen wird sie auch finden: vor der westafrikanischen und vor der brasilianischen Küste und im mexikanischen Golf. Eventuell auch vor Grönland und Bangladesch. Aber an Land ist fast alles abgesucht.

Auf den riesigen Kontinenten gibt es keine unbekannten Flecken?

Da man die Bedingungen genau kennt, wie Öl erdgeschichtlich entstanden ist, braucht man nicht überall zu suchen. Erdöl sammelt sich nur in so genannten Becken. Unentdeckt sind nur noch die Offshoregebiete. Früher war die Wassertiefe der limitierende Faktor. Heute kann man in bis zu tausend Meter Wassertiefe Öl fördern.

Könnte der technische Fortschritt nicht noch tiefere Regionen erschließen?

Nicht unbedingt. Ölvorkommen lohnen sich nur, wenn man bei der Förderung mehr Energie gewinnt, als man einsetzt. Das ist letztlich eine physikalische Grenze, die nur bedingt hinausgeschoben werden kann. Bei den neuen Ölfeldern sinken die Nettoenergieerträge, weil sie in immer unzugänglicheren Gebieten liegen. Noch drastischer ist das Problem bei der Gewinnung von Öl aus Ölsanden, Ölschiefer oder Schweröl.

Lohnt sich das bei steigendem Ölpreisen nicht trotzdem?

Sicherlich lässt sich bei steigendem Ölpreis mehr Öl wirtschaftlich fördern. Aber Förderinvestitionen von mehreren 100 Milliarden Dollar bedeuten, dass erst einmal mehr Energie verbraucht wird, um Bohrinseln zu bauen, Bohrlöcher zu bohren oder zäh fließendes Öl aus den Speichergesteinen herauszubekommen.

Die Internationale Energieagentur (IEA) geht dennoch davon aus, dass 2006 die Ölförderung steigt.

Es kann natürlich sein, dass sich die Förderung noch einmal ausweiten lässt. Doch langfristig wird sie sinken. Im Übrigen übernimmt die IEA oft die Angaben der Firmen. Dass Shell seine Reserven im vergangenen Jahr um 20 Prozent senken musste, zeigt, dass sich viele Vorhersagen im Nachhinein als falsch erweisen. Der nüchterne Blick auf die Fakten konfrontiert uns damit, dass der Ölpreis tendenziell steigen wird.

INTERVIEW: HAUKE RITZ