Die Not regiert die SPD
: KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE

Politik muss nicht glamourös sein. Aber dieses Ensemble von SPD-Ministern wirkt graugesichtig, mittelmäßig, technokratisch. Und das ist bezeichnend für den Zustand der SPD.

Der dramatische Mangel an Nachwuchselite zeigt sich in der Besetzung des Außenministers. Außenminister sind stets populär, sogar ein Bürokrat wie Kinkel konnte das nicht ändern. Der SPD-Außenminister wäre demnach der nächste Kanzlerkandidat in spe. Weil in der Post-Schröder-SPD weit und breit kein Kanzlerkandidat in Sicht ist, wird nun Frank Walter Steinmeier den Job machen. Er ist die carte blanche im Spiel: Ob er Kinkel zwei oder etwas ganz anderes wird, weiß niemand.

Die Personalkrise der SPD hat einen Grund: Gerhard Schröder. Fast alle Kanzlerkandidaten der SPD seit 40 Jahren haben zuvor eine Landtagswahl gewonnen und dann regiert. Das war bei Lafontaine so, bei Scharping und bei Schröder. Das Verfahren mag schematisch sein, ist aber rational. Wer Kanzler werden will, sollte zweierlei können: Wahlen gewinnen und regieren.

Unter Schröder hat die SPD nicht nur fast 200.000 Mitglieder verloren, sondern auch mehr als ein Dutzend Landtagswahlen. Gegen Schröders herrisch verordnete Agenda 2010 war kein Kraut gewachsen. Deshalb gibt es, außer Matthias Platzeck, der geradezu verzweifelt überschätzt wird, keine Nachwuchsstars mit Regierungserfahrung in der SPD. Deshalb wirkt diese Ministerriege wie eine Notlösung. Die Krise der SPD ist noch tiefer. Aus den Gewerkschaften, die früher mal ein reiches Rekrutierungsfeld waren, kommt nicht mehr viel. Die Strahlkraft der SPD auf Wissenschaft und Kultur war auch schon stärker. Ein forscher SPD-Politiker hat dazu mal gesagt: Früher war die SPD die Partei der Lehrer, heute ist sie die Partei der alten Lehrer.

Zudem hat dieses Kabinett eine Unwucht. Wo ist die Linke? Einen Fachmann wie Hermann Scheer zum Umweltminister zu machen, ein Talent wie Andrea Nahles ins Kabinett zu holen, das wäre klug gewesen. Doch Münteferings gusseisernes Motto lautet: keine Experimente. So wird es in der Fraktion demnächst knallen. Peter Struck kann sich schon mal darauf einrichten, dass er auch als Fraktionschef für Verteidigung zuständig sein wird.