Sanitätsdienst an der Waffe

Bei der Bundeswehr in Afghanistan müssen auch Lazarettkräfte zum Maschinengewehr greifen. Aber ist das nach dem Völkerrecht erlaubt? Die Frage darf man als Sanitäterin offenbar nicht stellen

Das Völkerrecht schreibt vor, zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten strikt zu unterscheiden

AUS FRANKFURT AM MAIN HEIDE PLATEN

Als Florian Pfaff von dem Fall erfuhr, fühlte er sich an die eigenen Erfahrungen erinnert. Der 49-jährige Computerexperte hatte als Mitarbeiter des Bundeswehr-Streitkräfteamts die Ausführung von Befehlen verweigert, die direkt oder indirekt zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak beitragen könnten. Nach langem Instanzenweg entschied das Leipziger Bundesverwaltungsgericht zu seinen Gunsten.

Jetzt setzt sich Pfaff für seine Leidensgenossin Christiane E. ein. Die 35-jährige Sanitätsfeldwebelin war im Frühjahr von der Bundeswehr als Operationsschwester im internationalen Feldlazarett in Afghanistan eingesetzt. Das dortige Feldlazarett der Isaf ist international besetzt und steht unter dem Schutzzeichen des Roten Kreuzes. Ärzte und Sanitäter tragen entsprechende Armbinden. Der damalige Kommandeur befahl Christiane E. und ihren Kollegen nach Darstellung Pfaffs, diese Armbinden abzulegen und die Sicherung des Infanterielagers auch mit dem Maschinengewehr zu übernehmen.

Daraufhin fragte Christiane E. bei ihrem Vorgesetzten nach, ob ein solches Vorgehen nicht gegen internationale Konventionen verstoße. Schließlich schreibe das Völkerrecht vor, im Kriegseinsatz strikt zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten zu unterscheiden. Zum nichtkämpfenden Teil der Truppe gehören das Sanitätspersonal und die Militärseelsorger. Sie dürfen nur zur Selbstverteidigung Waffen tragen.

Solche Fragen schätzte der Vorgesetzte offenbar überhaupt nicht. Weil sie den Befehl infrage gestellt hatte, wurde Christiane E. vom Dienst suspendiert. Sie musste nach Deutschland zurückfliegen und außerdem eine Disziplinarbuße von 800 Euro bezahlen. Nachdem eine Beschwerde beim Truppendienstgericht erfolglos blieb, wandte sich die Sanitäterin schließlich an den Petitionsausschuss des Bundestages.

Von dort erhielt sie bislang nur einen abschlägigen Zwischenbescheid. Zur Begründung sandte ihr das Gremium die Argumentation des Verteidigungsministeriums und der zuständigen Stabsabteilung zu. Die Unterscheidung in Kombattanten und Nichtkombattanten, heißt es darin, sei nur im bewaffneten Konflikt vorgeschrieben. Da sich die Bundesrepublik in Afghanistan aber nicht im Kriegszustand befinde, müssten auch Ärzte und Sanitäter zu den Waffen greifen und Wachdienst leisten.

Pfaff sieht das anders. Der bewaffnete Einsatz des Sanitätspersonals ist für ihn ein „Rechtsbruch“. Selbst das Ministerium habe offiziell schon eingeräumt, dass es sich „um einen kriegsähnlichen, internationalen Konflikt“ handele. Daran ändert in Pfaffs Augen auch die Tatsache nichts, dass die Auseinandersetzung lediglich innerhalb eines Landes stattfinde. Die deutschen Soldaten seien dort durch die Unterstützung der USA in den Status von Kombattanten gebracht worden.

Er selbst dürfe zu dem Fall Christiane E. nicht schweigen, sagt Pfaff, der mittlerweile beim Sanitätsamt der Bundeswehr in München arbeitet. Sonst mache er sich als Mitverantwortlicher für den Personaleinsatz mitschuldig. Zudem sei jeder einzelne Soldat schon in der Ausbildung darauf verpflichtet worden, eigenverantwortlich die Rechtmäßigkeit von Befehlen zu überprüfen. „Blinder Gehorsam“ verbiete sich.

In ihrer eigenen Stellungnahme für die Petitionsausschuss verweist Christiane E. darauf, dass zwischen Deutschland und Afghanistan zwar kein Krieg herrsche, wohl aber ein „kriegsähnlicher“ Zustand. Dies lasse sich sogar an den Soldabrechnungen ablesen: Die Soldaten erhalt das doppelte Monatssalär – wegen „extremer Belastungen“ unter „kriegsähnlichen Bedingungen“.