„Reine Abzocke“ bei den Studies

Bremen bekommt ein „Studiengebührenbefreiungsgesetz“, das Geld in die Kasse des Finanzsenators bringen soll. Verfassungswidrig, findet der Innensenator. „Der erste, der dagegen klagt, bekommt Recht“, sagt die Grüne Silvia Schön

bremen taz ■ Die Bundestagswahl ist vorbei, da hatte die Koalition es plötzlich eilig: In erster und zweiter Lesung wurde gestern das lange debattierte und zwischen SPD und CDU kontroverse „Studienkonten-Gesetz“ verabschiedet. Übergangen wurden auch die rechtlichen Bedenken des Innensenators und des Justizsenators. „Nicht verfassungskonform“ hatte der Innensenator in seiner internen Stellungnahme erklärt. Das Justizressort sprach höflicher von einer „verfassungsrechtlich nicht unproblematischen“ Regelung.

Silvia Schön (Grüne) sprach aus, was Juristen erwarten: „Der erste, der klagt, wird Recht bekommen.“ Problematisch scheint, dass nach dem Wohnsitzprinzip „Landeskinder“ 14 Freisemester bekommen, Studierende mit Wohnsitz in Lilienthal, Delmenhorst oder München ab dem dritten Semester zahlen sollen. Das könnte das Grundrecht auf Freizügigkeit verletzen.

Die Gebühren sollen direkt den Hochschulen zugute kommen. „Reine Abzocke ohne Gegenleistung“ sei das, da de facto damit nur die Kürzungen ersetzt würden, die das Wissenschaftsressort in den Haushaltsplanungen für 2006 und 2007 schon angekündigt hat, kritisierte Silvia Schön. Und, setzte der FDP-Abgeordnete Willi Wedler nach, wenn in Bremen das Erststudium gebührenfrei ist, im niedersächsischen Umland und sonst in der Republik aber 500 Euro kostet, dann würde die Bremer Uni überschwemmt – und die Studienbedingungen werden eher schlechter. Die Landeskinderklausel passe in die Landschaft „deutscher Kleinstaaterei“, kritisierte Wedler. Der Sinn des Gesetzes bestehe offenkundig darin, über ein gebührenfreies Studienangebot von Bundesländern, die Gebühren nehmen, Einwohner wegzulocken und damit Länderfinanzausgleich zu kassieren. Doch werde Bremen „als Haushaltsnotlageland das nicht lange aushalten“.

Iris Spiess, bildungspolitische Sprecherin der CDU, befürwortete das Gesetz nur als „ersten Schritt“. Dauerhaft könne Bremen es sich nicht leisten zu sagen: „Kommt alle her, hier ist alles umsonst“. Nach den Prognosen des Ressorts würden kurzfristig 3,1 Millionen Euro an Studiengebühren für Hochschulen und 25 Millionen Euro Länderfinanzausgleich für die Staatskasse erwartet, wenn rund 8.000 Studierende mehr in Bremen ihren Hauptwohnsitz melden.

Wissenschaftssenator Willi Lemke (SPD) verwahrte sich gegen den Vorwurf der „Abzocke“. Mit dem Gesetz solle erreicht werden, dass Studierende zielgerichteter studieren. Das sei eigentlich ein „Studiengebührenbefreiungsgesetz“, und er hoffe, dass wir „so lange wie möglich diese Befreiung den Studierenden im Lande Bremen anbieten können“. Die rechtlichen Bedenken könne er derweil „nicht völlig ausräumen“. Lemke äußerte Verständnis für die Haltung der CDU, die am liebsten mit generellen Studiengebühren mehr Geld für die Hochschulen kassiert hätte. Wenn München oder Dresden ihre Hochschulen mit einer „wunderbaren Finanzierung“ ausstatten könnten, dann befürchte er, dass „die geistige Elite dorthin geht“. Man müsse „sehr genau beobachten, wie sich das entwickelt“. Grundsätzlich wolle er, bekannte Lemke, „für alle ein attraktives Studium anbieten“. Angesichts der Haushaltslage, wo drei Milliarden Euro Einnahmen etwa vier Milliarden Euro Ausgaben gegenüberstünden, hätte Bremen aber „keine Alternative“. kawe