Patenschaften für Palastbausteine

Sonntagnachmittag treffen sich die Palastretter mit Kameras und Ferngläsern vor dem Palast der Republik. Das Ziel ihrer Aktion: Berlins historische Mitte durch Diskussionen und Gespräche wieder zum öffentlichen Raum zu machen

Beim letzten Palastwatching, im September war das, da hat eine Passantin vor dem Palast der Republik zu ihnen gesagt: „Wer Schlösser sehen will, der soll nach Potsdam gehen!“ Über diesen Satz können sich die Palastretter heute noch freuen, auch weil er eine Menge von dem zum Ausdruck bringt, was sie sich auf ihre Fahnen geschrieben haben. Nichts gegen Schlösser, so könnte man ihre Freude über diesen Satz interpretieren, aber es gibt eben für alles einen Ort.

Morgen findet das zweite Palastwatching statt, mit dem die Palastretter das Thema „Palast der Republik“ erneut ins öffentliche Bewusstsein rücken wollen. Die Palastretter – das ist eine Gruppe von jungen Architekten, Künstlern und Soziologen, die sich im April gegründet hat. Damals war man nur zu fünft, inzwischen ist die Gruppe auf ein gutes Dutzend angewachsen und wird von einem weit verzeigten Netzwerk von Flyerverteilern, Kuchenbäckern und Buttonherstellern unterstützt.

Nun gibt es ja bereits eine Reihe von Gruppen, die sich für den Palast engagieren – die Initiative ProPalast oder die Architektengruppe Urban Catalysts zum Beispiel. Die Palastretter unterscheiden sich von diesen anderen Gruppen vor allem durch die Form ihres Engagements. Es geht ihnen nämlich nicht um die Frage, ob der Palast einen ästhetischen Wert habe oder nicht, und auch nicht darum, ob es ein Zeichen von rückwärts gewandter Ostalgie sei, sich für ihn zu engagieren. Der Zugang der Palastretter ist aktionistischer: „Unsere Aktionen zielen auf die Stadt“, sagen sie – beim sonntäglichen Palastwatching sollen die Energien sichtbar werden, die das Thema Palast noch immer freizusetzen imstande sei.

In der Praxis bedeutet das: Man trifft sich Sonntagnachmittag vor dem Palast der Republik und nimmt mit Kameras oder Ferngläsern das vom Abriss bedrohte Gebäude in den Blick. „Es geht uns nicht um ein ästhetisches oder politisches Bekenntnis zum Palast – uns geht es darum, dass wir die Art und Weise ablehnen, wie die Diskussion um seinen Abriss und um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses bisher geführt worden ist“, sagt der Künstler Ulrich Vogl, der zu den Gründungsmitgliedern der Palastretter gehört.

Beim ersten Palastwatching im September konnten deshalb nicht nur 1.500 Unterschriften gegen den Abriss gesammelt werden. Ganz nebenbei fanden Gespräche statt, bei denen schließlich auch der Satz von Potsdam und den Schlössern fiel. Für Christoph Wagner, Architekt und ebenfalls Palastretter der ersten Stunde, ist diese Bereitschaft zur Diskussion ein deutlicher Hinweis darauf, dass Berlins historische Mitte bei ihren Events wieder zu einem öffentlichen Raum wird – zu einem wirklichen Forum, wie es das nach dem Abriss des Palasts geplante Humboldtforum seiner Meinung nach nie sein wird: „Diese angeblichen Foren, die da entstehen sollen, sind nur die Suggestion von städtischen Orten!“

Wer Schlösser sehen will, soll nach Potsdam gehen … Beim abendlichen Treffen der Palastretter fällt noch ein zweiter, scheinbar gegenläufiger Satz, mit dem die Gruppe ihr Anliegen zu formulieren versucht: „Ende der Vierziger, Anfang der Fünfzigerjahre hätten wir Schlossretter geheißen und für den Erhalt der Ruine des Hohenzollernschlosses gekämpft.“ Weniger der Palast der Republik als einzelnes und einzigartiges Baudenkmal bewegt die Palastretter also, wichtiger ist für sie die grundsätzliche Frage, wie in Berlin und in Deutschland überhaupt mit Geschichte umgegangen wird.

Die Palastretter sind alle um die dreißig, die meisten von ihnen kommen aus Westdeutschland. Stellvertretend für die anderen fasst Vogl ihre Motivation zusammen: „Was wir mit dem Palast erleben, ist nicht nur eine Berlin-Erfahrung, sondern eine viel allgemeinere – durch den Abriss von Baudenkmälern wie dem Palast wird bewusst das 20. Jahrhundert negiert.“ In diesem Zusammenhang verweist die Palastretterin Ylva Queisser allerdings auch auf eine Entwicklung, die dieser These vom Kahlschlag, mit dem das 20. Jahrhundert aus dem Stadtbild verschwindet, eigentlich widerspricht: Nur allzu oft reiße man Baudenkmäler ab, bloß um sie hinterher als Kopie wieder aufzubauen – egal ob Stadtschloss, Checkpoint Charlie oder die Mauer.

Wenn die Palastretter deshalb schon jetzt, solange der Palast noch steht, eine ironische Kampagne zu seinem Wiederaufbau gestartet haben, in der sie um Spenden für die Palastfassade bitten oder Patenschaften für Palastbausteine vergeben, dann liegen sie damit wahrscheinlich voll im Trend. ANNE KRAUME