Proteste nach Besuch beim Yasukuni-Schrein

Die Regierungen Chinas und Südkoreas verurteilen die Stippvisite des japanischen Regierungschefs zum Symbol des Imperialismus in Tokio

TOKIO taz ■ Um zehn Uhr vormittags ließ sich der japanische Ministerpräsident Junichiro Koizumi gestern zum Yasukuni-Schrein im Zentrum Tokios chauffieren. Die Hände zum Gebet gefaltet, stand er einen Augenblick schweigend am Eingang des Shinto-Heiligtums, in dem neben 2.5 Millionen Gefallenen auch 14 verurteilter Kriegsverbrecher gedacht wird. Koizumi vermied es im Unterschied zu früheren Besuchen, das Innere des Schreins zu betreten und trug nicht traditionelle Gewänder, sondern einen grauen Anzug.

China und Südkorea haben Koizumis Visite scharf verurteilt. „Der japanische Regierungschef untergräbt die bilateralen Beziehungen und muss dafür historische Verantwortung übernehmen“, sagte der chinesische Botschafter in Tokio, Wang Yi.

Der Pilgergang erfolgte ausgerechnet während der dritten Runde von Gesprächen von Regierungsvertretern beider Länder in Peking, die nach gewalttätigen Demonstrationen in verschiedenen chinesischen Städten im Frühjahr eingeleitet worden waren, um das gegenseitige Verhältnis zu verbessern. Auslöser für die gewalttätigen Proteste im April war ein Geschichtsbuch, das Japans brutale Besatzungspolitik vor und während des Zweiten Weltkrieges verharmlost. Chinas Botschafter bezeichnete Koizumis Besuch im Kriegschrein auch deswegen als „ernsthafte Provokation“, weil er zeitlich mit der „glorreichen Rückkehr“ von Chinas bemannter Weltraummission zusammenfällt.

Südkoreas Außenminister Ban Ki-moon sagte, er sei persönlich enttäuscht, weil man Japan gebeten habe, auf die Schreinbesuche zu verzichten. Sie seien der größte Stolperstein für die Beziehungen zu Japan. „Wir fordern entschieden, dass dies nicht wieder vorkommt.“ Die Gedenkstätte gilt als Symbol für den japanischen Imperialismus der 1930er und 40er Jahre und ist ein Wallfahrtsort japanischer Nationalisten.

MARCO KAUFFMANN

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