Eine unverständliche Provokation

Obwohl die Einordnung schwierig ist, halten Rechtsextremismusforscher und Kenner von Muslimorganisationen Neonazis für die wahrscheinlichen Davidstern-Schmierer. Manche sehen eine „neue Form des Antisemitismus“

Die Suche nach den Davidstern-Schmierern gestaltet sich schwierig. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagte ein Polizeisprecher gestern. Zwar vermute man rechtsextreme Täter, aber das sei bislang nur ein Verdacht. Es könnten auch antisemitische Muslime gewesen sein.

Seit dem vergangenen Wochenende haben Unbekannte weiße Davidsterne unter anderem an das Rote Rathaus, das Sowjetische Ehrenmal in Treptow und die Gräber von Bertolt Brecht, Heinrich Mann und Johannes R. Becher geschmiert. Damit steigt die Zahl antisemitischer Straftaten von 120 im letzten auf 147 in diesem Jahr. Fakt ist: Die Täter wollen Aufmerksamkeit. Mit wenig Aufwand haben sie große Aufregung erreicht. Ungewöhnlich dabei ist, dass die Davidsterne nicht mit einer Parole versehen wurden.

„Nichts ist bewiesen, aber die Vermutung liegt nahe, dass es Ostberliner Kameradschaftler waren“, sagt Henning Flad, Experte für rechtsextreme Subkultur. Treptow sei Territorium der Kameradschaft Baso und Rechtsextremisten würden ihre Straftaten zu einem erheblichen Teil nahe dem Wohnort begehen. Außerdem stünde die unlängst verbotene Kameradschaft Berliner Alternative Süd-Ost in der Szene unter Druck, sich zu beweisen.

Auch Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv hält Ostberliner Neonazis für die wahrscheinlicheren Täter. Denn Schändung sei ein typisches Delikt von Rechtsextremisten, während eine typische antisemitische Straftat arabischstämmiger Jugendlicher eher darin bestünde, jemanden als Juden zu „erkennen“ und zu verprügeln.

Das Archiv dokumentiert seit 2003 antisemitische Vorfälle. Darin findet sich auch ein Fall, der 2004 in Wuppertal passierte. Damals beschmierten Neonazis einen Verlag mit einem J in gelber Farbe, auf den Firmenwagen schrieben sie das Wort „Jude“. Jentsch sieht darin eine „neue Qualität des Antisemitismus“. Die Täter hielten es für unnötig, konkrete Drohungen gegen Juden auszustoßen. „Das heißt, sie rechnen damit, dass allein das Symbol schon als Schandmal verstanden wird“, sagt Jentsch. Umfragen zeigen immer wieder: Antisemitische Stereotype sind in Deutschland weit verbreitet.

Das sind sie auch bei vielen arabischstämmigen Muslimen, die auch schon entsprechende Graffitis gesprüht haben. „Aber das waren immer Hetzparolen“, sagt der Vertreter einer Migrantenorganisation. Und Claudia Dantschke, Expertin für Muslimorganisationen, hält die „Orte einfach nicht für typisch“. Aber auszuschließen sei eben nichts.DAS, AWI