Frau beißt Hund

Frau und Hund waren früher ein seltenes, gar tragisches Gespann. Doch neue Zeiten erfordern neue Freunde

Der traditionelle Frauenhund ist klein, kläfft und trägt ein rotes Schleifchen im Kopfhaar – und die Bezeichnung „Schoßhündchen“ umschreibt recht zweideutig den Funktionsrahmen eines solchen Tierchens. Der Besitz gilt als eher peinlich, verweist er doch auf ein Defizit an persönlicher Zuwendung. Waren Frauen und Hunde bislang ein eher tragisches Gespann – die Anschaffung eines Hundes erfolgte zumeist nach dem Ableben des Ehemanns, auch aus Gründen der persönlichen Sicherheit –, sieht man heute verstärkt ausgesprochen lebenslustig wirkende junge Damen, die mit ihren zuweilen riesigen Kötern durch Grünanlagen und Großstadtreviere stromern. Viecher, die jede Vuitton-Tasche sprengen würden.

In dem Maße, in dem Frauen ihren Platz jenseits des angestammten Terrains rund um den heimatlichen Herd in Anspruch nehmen, verblasst sowohl die Bedeutung des Schoßhündchens als auch die der Katze als favorisiertes weibliches Begleittier: Während der Kater brav in der Dachgeschosswohnung wartet, ist der Hund ein treuer Begleiter in der manchmal auch rauen Außenwelt, auf der Straße, die längst nicht mehr nur Männern, sondern auch Frauen gehört.

Die moderne junge Hundehalterin ist aktiv und kontaktfreudig, denn sie muss regelmäßig an die frische Luft und begreift ihr Tier auch als ein Mittel der Außendarstellung. Während der Mann zur Anschaffung eines „Funktionshundes“ tendiert, machen sich Frauen Gedanken: Der Dobermann passt zum schwarzen Cabrio und besagt: Du solltest mich respektieren; der Golden Retriever hingegen kann auch als Einladung zur Familiengründung aufgefasst werden – und ein Dackel als ehrlicher Ausweis von Langweiligkeit.

Menschen mit Hunden sind ansprechbar. Männer, die mit tierliebenden Frauen auf der Straße in Kontakt treten, sollten jedoch ausgetretene Sätze wie „Bei Ihnen möchte ich auch mal gerne Hund sein“ vermeiden. Besser: Überlegungen zum Charakter des Tiers und mögliche Querverbindungen zur Persönlichkeit der Halterin anstellen – inklusive der Gefahr, sich damit zum Affen zu machen. MARTIN
REICHERT