DAS HERBSTGUTACHTEN BELEGT NUR DIE KRISE DER DEUTSCHEN ÖKONOMEN
: Blockade in den Köpfen

Reformen müssen sein. Aber anders, als es den „sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute“ vorschwebt, sollten diese vor allem bei ihnen selbst ansetzen. Ihr Bericht belegt, welch hochgradig konzeptuelles Vakuum speziell in der deutschen Wirtschaftswissenschaft herrscht.

Die sich überparteilich gebenden Berater haben sich mit ihrer neoliberalen Litanei schon lange in eine Sackgasse manövriert, aus der sie aus eigener Kraft offenbar nicht mehr herauskommen. Das Gremium spiegelt aber auch eine Schieflage der Mainstream-Ökonomie in Deutschland wider. Ihre an Rechthaberei grenzende angebotsfixierte Lehrmeinung wird auch unter internationalen Ökonomen kopfschüttelnd beobachtet.

Für eine klare wirtschaftswissenschaftliche Analyse ist jedoch ein (selbst)kritischer Dialog gefragt, der die Postulate angebotsorientierter Heilslehre nicht über alle Erkenntnisse der Realität stellt. Leider ist davon bei den diesen Gutachtern nicht viel zu spüren. Nicht zuletzt die USA haben gezeigt, dass man mit einem Mix aus Angebots- und Nachfrageorientierung eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik betreiben kann. Wer sich, wie in diesem Fall, blind der Angebotsseite verschreibt, begibt sich nicht nur auf einen akademischen Holzweg, sondern schädigt mit der Wirkung seiner einseitigen Ratschläge uns alle.

Es ist höchste Zeit für ein ökonomisches Umdenken, vor allem bei diesen sechs „führenden“ Forschungsinstituten. Doch dazu sind sie offenbar weder willens noch fähig. Die eingeschworene Professorenriege gibt sich mit einem erschreckenden Maß an Selbstgefälligkeit und Starrsinn notorisch resistent gegen das fortlaufende Versagen ihrer wirtschaftspolitischen Ratschläge.

Die Öffentlichkeit hat sich daran gewöhnt, das zementierte Meinungskartell schulterzuckend hinzunehmen. Statt dessen wird weniger die selbstverliebte Darstellung der beteiligten Institute als die „reine ökonomische Lehre“ ihres Gutachtens in den Medien kolportiert. Doch erst wenn dieses Gremium durch eine andere Besetzungzu mehr Meinungspluralität findet, wird sichdie Qualität seiner Ratschläge verbessern.

TARIK AHMIA