Tote Vögel scheuchen Politiker auf

Am Wochenende stieg die Zahl der gemeldeten Vogelgrippeinfektionen in Europa. Allerdings gab es keinen Hinweis auf ein für Menschen gefährliches Virus. Dennoch berät die EU über schärfere Importgesetze. Kanada lädt zum Grippegipfel

VON STEPHAN KOSCH

Eine Ente in Schweden, ein Papagei in Großbritannien und sechs Schwäne in Kroatien – in Europa ist am Wochenende die Zahl der gemeldeten Vogelgrippeinfektionen deutlich gestiegen. Politiker und Behörden reagierten mit neuen Verbotsforderungen und Massentötungen. Dabei gibt es bislang keinen Hinweis darauf, dass einer der verendeten Vögel das für Menschen gefährliche Virus H5N1 in sich trug.

Dennoch haben Großbritannien und der Bundesverbraucherminister Jürgen Trittin einen Einfuhrstopp von Wildvögeln in die Europäische Union gefordert. Über einen entsprechenden Vorschlag Großbritanniens will die EU bis spätestens Dienstag entscheiden. In der Kommission gibt es allerdings Befürchtungen, dass ein Einfuhrverbot einen Schwarzmarkt für Wildvögel entstehen lässt, der nicht zu kontrollieren sei.

Anlass für den Vorstoß Großbritanniens und Deutschlands ist der Tod eines Papageis in einer britischen Quarantänestation. Das Tier war aus dem südamerikanischen Surinam importiert worden. Zwar hatten Tests nur einen relativ harmlosen H5-Visrusstamm nachgewiesen. Dennoch wurden vorsorglich mehr als 300 importierte Wildvögel in britischen Quarantänestationen getötet.

Spekulationen, der Papagei habe sich erst in Großbritannien an aus Taiwan importierten Wildvögeln angesteckt, trat die Regierung des asiatischen Landes entgegen. „Die Vögel aus Taiwan wurden im selben Raum gehalten, aber nicht im selben Käfig wie der Papagei“, erklärte Song Hua-tsung von der taiwanesischen Gesundheitsbehörde. In Taiwan war im Oktober das Virus H5N1 bei aus China eingeschmuggelten Vögeln entdeckt worden. Taiwan hatte nach eigenen Angaben alle betroffenen Tiere getötet.

Auch Kroatien hat am Wochenende drastische Maßnahmen ergriffen und im Umkreis von drei Kilometern um den Zdenci-See zehntausende Tiere vernichtet. Dabei trugen die sechs toten Schwäne, die an dem See gefunden wurden, nicht die gefährliche Form des Virus in sich, erklärte die EU. Dennoch verbietet sie ab heute den Import von Geflügel aus Kroatien.

Auch die im mittelschwedischen Eskilstuna gefundene tote Ente litt nicht an der gefährlicheren Virus-Variante H5, wie eine Untersuchung schwedischer Virologen am Sonntag ergab. Die staatlichen Veterinärbehörde hatte sich schon vorher gelassen gezeigt. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Enten mit dem Vogelgrippenvirus infiziert sind. Im Spätherbst trügen etwa 20 Prozent der Tiere einen leichten und für Menschen völlig ungefährlichen Erreger in sich.

Aus Russland wurden ebenfalls neue Fälle von Vogelgrippe gemeldet. Ein Sprecher des Zivilschutzes im Gebiet Tscheljabinsk auf der asiatischen Seite des Urals bestätigte, dass im Dorf Sunaly sechs untersuchte Vögel an Vogelgrippe gestorben seien. Angaben zum Virustyp wurden allerdings nicht gemacht. In zwei weiteren Verdachtsfällen standen die Resultate von Analysen noch aus.

Die aktuellen Fälle dürften auch die Experten aus mehr als 30 Ländern beschäftigen, die sich heute im kanadischen Ottawa treffen. Auf Einladung des kanadischen Gesundheitsministeriums beraten Fachleute unter anderem die Möglichkeiten einer Übertragung des Virus auf den Menschen und die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten. Neben US-Gesundheitsminister Mike Leavitt nehmen auch Vertreter der Europäischen Union, der Vereinigung Südostasiatischer Staaten, der Weltgesundheitsorganisation sowie der Vogelgrippekoordinator der Vereinten Nationen, David Nabarro, teil.