Davidsterne als stille Drohung

Unbekannte Sprayer schmieren im Ostteil Berlins Davidsterne. Weil die üblichen Hetzparolen fehlen, rätselt die Stadt, werdie Täter sein könnten. Die Ungewissheit führt zu Forderungen wie der nach umfassender Kameraüberwachung in der Stadt

AUS BERLIN DANIEL SCHULZ

Sie kommen im Dunkeln. Sie sprühen Sterne, Davidsterne. Seit zwei Wochen schmieren Unbekannte in Berlin immer wieder dieses Symbol. Auf das Rote Rathaus, auf das Denkmal von Bertolt Brecht und das Grab von Heinrich Mann. Bisher hat die Polizei noch keine Ahnung, wer die Davidstern-Schmierer sind. „Sie haben keine Spuren hinterlassen“, sagt Klaus Gaeth, der beim Berliner Landeskriminalamt das Dezernat für extremistische Straftaten leitet.

Bisher haben die Ermittlungsbehörden noch keine heiße Spur, wer die 20 Davidsterne in der Hauptstadt gesprüht hat. Dennoch vermuten Experten und auch die Polizei, dass die Sprayer eher deutsche Rechtsextremisten sind als beispielsweise antisemitisch motivierte Muslime. Dafür spräche zum einen, dass die Tatorte durchgehend in Ostberlin lägen, sagt etwa Claudia Dantschke, Expertin für Muslimorganisationen. Das seien für extremistische Migrantinnen keine typischen Orte.

Die Ungewissheit über die Autoren und die Motive der Davidsterne beunruhigt die Stadt. Sie wird verstärkt dadurch, dass die Davidsterne nicht mit einer Hetzparole versehen sind. Und sie hat bereits dazu geführt, dass der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Albert Meyer, fordert, neuralgische Punkte in der Stadt mit Kameras überwachen zu lassen. Damit ließen sich Anschläge besser aufklären. Allerdings, die Täter schmieren an so vielen Orten, dass dem nur mit einer flächendeckenden Überwachung beizukommen wäre.

Henning Flad, Berliner Rechtsextremismusforscher und Kenner der rechtsextremen Jugendszene, sagt: „Rechtsextremisten begehen Straftaten meist in der Nähe ihrer Haustür.“ Daher vermutet Flad auch, dass Mitglieder der verbotenen Kameradschaft „Berliner Alternative Süd-Ost“ die Sprayer sein könnten. „Treptow ist deren Heimatbezirk.“ Außerdem stünden verschiedene Berliner Kameradschaften nach Verboten unter Druck. Sie müssten zeigen, dass sie noch existent seien. Dass so viele Orte beschmiert wurden, erklärt Flad mit der Paranoia der Rechtsextremen. „Da sie hinter allem eine jüdische Weltverschwörung sehen, ist es in ihrer Logik, beispielsweise auch Rathäuser zu beschmieren.“

Die Berliner Kameradschaften waren für Rechtsextremisten schon öfter Trendsetter, bei Kleidung, Musik und Parolen. Sie waren zum Beispiel die Ersten, die linke Symbolik kopierten. Es ist möglich, dass einige ihrer Mitglieder jetzt einen neuen Weg ausprobieren wollen, um im Gespräch zu bleiben. Denn eines ist klar: Einfacher als mit dem Aufsprühen eines Davidsterns hätten die Täter gar keine Aufmerksamkeit erzeugen können. Noch tiefer liegende Gründe vermutet Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv in Berlin. Er spricht von einer „neuen Qualität des Antisemitismus“. Schließlich würden es die Täter für unnötig halten, konkrete Drohungen auszustoßen. Berlin ist nicht die erste Stadt, wo Derartiges passiert.

Im Pressearchiv, das seit 2003 antisemitische Straftaten dokumentiert, findet sich ein Fall aus Wuppertal. Dort beschmierten Neonazis ein Verlagshaus mit einem gelben „J“ und ein Auto des Verlages mit dem Wort Jude. Auch da gab es keine Drohung. Die einfache Kennzeichnung schien den Tätern bereits auszureichen.