Menschen like us

Die Panter-Gala 2005: Außergewöhnliches Engagement verdient mehr als belegte Brötchen

VON MARTIN REICHERT
(TEXT) ANDREAS SCHOELZEL (FOTOS)

Der taz-Panter ist keine Kuschelkatze, sondern ein Preis für Menschen, die hartnäckig sind und widerborstig: „Liebe HeldInnen des Alltags, von Ihrem Mut lebt die Zivilgesellschaft“ – mit diesen Worten eröffnete die elegant in taubenblaue Seide gewandete taz-Chefredakteurin Bascha Mika die Verleihung des ersten taz-Panters und war damit sowohl inhaltlich als auch optisch stilbildend für den Abend im Berliner Centrum Judaicum, denn dank der zahlreichen Sponsoren wurde ein dem Anlass angemessener festlicher Rahmen inklusive eines exklusiven Viergängemenüs ermöglicht.

So freute sich Dr. Hermann Simon, Direktor des Centrum Judaicum und somit Gastgeber, dass die heute als Vortragssaal genutzte ehemalige Frauenempore der Synagoge in der Oranienburger Straße an diesem Abend zu ihrer eigentlichen Bestimmung zurückgeführt wurde: „zu einem Ort der Versammlung“. Berührend die musikalische Eröffnung des Abends: Der von Moderator Jörg Thadeusz als „King of Klezmer“ angekündigte Giora Feidman durchbrach die zunächst andächtige Stille mit einer Aufforderung zum Mitsingen. Seine mit mal weinender, mal lachender Klarinette vorgetragenen Gershwin-Variationen waren eine Botschaft der Grenzenlosigkeit – vor allem sein „Potpourri“ aus deutscher, israelischer und palästinensischer Nationalhymne – und zugleich bestmögliche Überleitung zur Verleihung des mit 5.000 Euro dotierten Jury-Preises: Denn dieser ging an Sinan und Saithan, zwei jugendliche muslimische Deutschtürken, die der Postkartenaktion „Ehre heißt, für die Freiheit meiner Schwester zu kämpfen“ ihre Gesichter verliehen haben und somit gegen Ehrenmorde und Zwangsverheiratungen kämpfen.

Helden des Alltags? Als Angehöriger der skeptischen Generation hatte Heiner Geißler, Mitglied der Jury, zunächst Probleme mit dem Heldentum, doch er besann sich anders: „Dank der taz ist dieser Begriff nun für mich neu getauft und geheiligt: Es geht um Menschen, die mutig sind, die etwas tun, die helfen.“ Auch Heiner Geißler hatte für Sinan und Saithan gestimmt, die unter anhaltendem Applaus die Bühne betraten – die erste ihres Lebens. „Unsere Schwestern dürfen nicht unterdrückt werden. Wir stehen hinter euch!“, sagten die beiden sichtlich aufgeregten Helden aus Berlin-Kreuzberg und kündigten an, einen Teil ihres Preisgeldes für den Nachdruck der Postkarte in türkischer und arabischer Sprache zu verwenden. Ihre Freundinnen vom Madonna-Mädchentreff hatten sich in dem Trubel nicht auf die Bühne getraut, daher musste Laudatorin Sonia Mikich während ihrer Ansprache die Blumensträuße betreuen: „Ich halte mal so lange.“

Zuvor hatte die Leiterin des ARD-Magazins „Monitor“ nicht vergessen, auch die Arbeit des Mädchentreffs zu loben, auf deren Engagement die Postkartenaktion zurückgeht: „Wir haben uns in der Jury rasch auf Sinan und Saithan geeinigt, denn ihr Tun gleicht einer subjektiven Kulturrevolution: 20.000 Karten, die auch auf der Straße ankommen. Das war schwer für diese ‚ganz normalen Jungs‘, denn das, was sie sagen, gilt in ihrem Umfeld bislang als uncool. Ich hoffe, dass sie Vorbilder werden.“

Nach der Suppe unterhielt zunächst das Berliner Kabarett-Trio Pigor, Eichhorn & Ulf das Publikum, darunter Jürgen Trittin, die Migrationsforscherin Necla Kelek und den Schauspieler Claude-Oliver Rudolph, bevor nach dem Hauptgang Bascha Mika den zweiten Teil des Abends eröffnete: Die taz-LeserInnen hatten der Friedensaktivistin Helga Dieter den Panter zugesprochen. „Seit 1997 hat sie mit ihrer Initiative rund 19.000 Jugendlichen Ferien vom Krieg ermöglicht, gleich ob albanischen oder serbischen, israelischen oder palästinensischen“ sagte Laudatorin Bascha Mika.

Die stolze Gewinnerin des Leserpreises, dotiert mit ebenfalls 5.000 Euro, trug in der Absicht ironischer Brechung einen Lorbeerkranz und fand: „Unsere Freizeiten sind unterstützungswürdig, auch weil sich dort Liebesgeschichten ergeben – unabhängig von Nationalitäten.“

Damit schloss sich der Kreis, denn es ging an diesem Abend, um es mit den Worten Giora Feidmans zu sagen, um „Menschen like us“. Der Rest war Musik: Die 17 Hippies spielten auf. Weltmusik.