Eine Chance für die Marktwirtschaft

Die Union reagiert gespalten auf Stoibers Rückzug. Der CDU-Wirtschaftsrat ist erfreut, mit ihm jubelt die FDP

„Dieses ewige Ungewisse geht mir auf den Senkel“ – Unionsfraktionsvize Wolfgang Zöller

BERLIN taz ■ Nach Edmund Stoibers Verzicht auf das Amt des Bundeswirtschaftsministers kam gestern scharfe Kritik am CSU-Chef auch aus den Reihen seiner Parteifreunde, die in Berlin Posten bekleiden. Wolfgang Zöller (CSU), Unions-Fraktionsvize im Bundestag, befand Stoibers Verhalten gestern für parteischädigend. „Dieses ewige Ungewisse geht mir auf den Senkel“, so Zöller. Das sei nicht gut für das Bild, das die Partei abgebe.

Bei der Unionsschwester CDU stieß Stoibers Ankündigung, doch nicht nach Berlin zu kommen, auf geteiltes Echo. Die Absage Stoibers für das Bundeskabinett sei alles andere als hilfreich für die CDU, so CDU-Präsidiumsmitglied Jörg Schönbohm in der Berliner Morgenpost. Der CDU-Wirtschaftsrat konnte aber die Freude über Stoibers Rückzug kaum verhehlen. Nun könne man sich in den Koalitionsgesprächen auf dem wichtigen Feld der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik auf marktwirtschaftliche Lösungen besinnen, so Wirtschaftsratspräsident Kurt J. Lauk gestern.

In dasselbe Horn stieß Vize-FDP-Chef Rainer Brüderle: „Aus ordnungspolitischer Sicht weine ich Herrn Stoiber keine Träne nach.“ Die Chance bestehe, dass in das Wirtschaftsministerium doch keine interventionistische Industriepolitik bayerischer Art einziehe.

In der SPD beschränkte man sich gestern darauf, den von Stoiber geforderten Ressortzuschnitt für das Wirtschaftsministerium auf Kosten des Bildungsministeriums wieder in Frage zu stellen. SPD-Forschungsexperte Jörg Tauss forderte, die Union solle die bisher vorgesehene „strategische Fehlplanung“ in diesem Bereich korrigieren.   OP