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: Bei „Sound Art Cinema“ wird die Rolle der Töne im Kino untersucht

Die Oper mag zwar eine „sterbende bürgerliche Kunstform“ sein, wie Aki Kaurismäki in einem seiner Filme verkünden lässt, aber inzwischen ist sie ja längst im Kino aufgehoben. Wagner würde heutzutage nicht nur Filmmusiken komponieren, er tut dies postum ja auch in den Werken seiner zahlreichen Epigonen in Hollywood. Und die Filme werden immer mehr zur Bilderopern. Georg Seeßlen hat vor einiger Zeit beim kommerziellen Kino eine „Angst des Filmemachers vor der Stille“ diagnostiziert, denn inzwischen wird in Hollywood bei fast jeder Einstellung die emotionale Wirkung entweder durch Musik oder durch ein ausgetüfteltes Sounddesign verstärkt.

Wie da Klang und Bild zusammenfinden, wie Filmemacher und Musiker auch in Experimenten an diesen Schnittflächen zwischen den Künsten arbeiten, zeigt das Kino 46 jetzt in einer Filmwoche, die die Entwicklung vom Stummfilm bis zum Music Clip nachzeichnet. Natürlich darf dabei auch Wagner nicht fehlen, denn global populär wurde dieser nicht etwa durch Bayreuth, sondern durch „Apocalypse Now“. Der restaurierte Director's Cut von Coppolas Vietnam- Phantasmagorie wird in der Originalfassung gezeigt.

Auf den ersten Blick scheint es paradox, wenn in einem Programm über die Töne im Kino ein Stummfilm gezeigt wird, aber bei der live gespielten Begleitmusik wird die Verbindung des Gesehenen mit dem Gehörten am deutlichsten. Die Auswahl des Bergdramas „Die weiße Hölle von Piz Palü“ mit Leni Riefenstahl ist dabei eher zufällig: Hans-Christoph Hartmann an den Saxophonen und Christian Mayer am Piano haben gerade eine neue Musik für diesen Film arrangiert, deren Premiere am Freitagabend im Kino 46 stattfinden wird.

Ein Beispiel dafür, dass die Bilder der Musik rigoros untergeordnet werden, ist die selten gezeigte Fernsehproduktion „Ludwig van“, in der Mauricio Kagel seine Dekonstruktion des Komponisten aufführt, die 1969 bei den Wiener Festwochen für einen Skandal sorgte. Der Klassiker des japanischen Kunstkinos „Die Frau in den Dünen“ von Hiroshi Teshigahara aus dem Jahr 1963 ist im Programm, weil er ein frühes Beispiel für die konsequenten Anwendung eines Sound Designs ist. Das ständige Rieseln des Sandes und Rauschen des Windes wurden vom Filmkomponisten so eingesetzt, dass sie eine hypnotische Wirkung erhielten.

In einem Werkstattgespräch stellt der Komponist Dirk Schaefer Arbeiten vor, die er zusammen mit Experimentalfilmern geschaffen hat und zeigt den Kurzfilm „Instructions for a light-sound machine“, den er zusammen mit dem Künstler Peter Tscherkassky inszenierte, und der die Westernmusik von Sergio Morricone in ein visuelles Klanggewitter zerlegt.

Eine Montage von Music-Videos bietet schließlich einen kurzweiligen historischen Schnelldurchlauf, der von einem ganz erstaunlich jungen David Bowie als „Major Tom“ bis zu den hochartifiziellen Werken der zeitgenössischen britischen Videoavantgarde reicht.

Wilfried Hippen