Umwelt bleibt grün

VON HANNA GERSMANN
UND HANNES KOCH

Die große Koalition aus Union und SPD will das Umweltprogramm der rot-grünen Vorgängerregierung in wesentlichen Teilen fortsetzen. „Nachhaltiges Wirtschaften im 21. Jahrhundert soll das Markenzeichen unserer Politik sein“, heißt es im Kompromisspapier der Koalitions-Arbeitsgruppe Umweltpolitik, das der taz vorliegt. Starke Betonung legten die Verhandler unter Leitung von Sigmar Gabriel (SPD) und Klaus Lippold (CDU) darauf, durch eine „höhere Energie- und Ressourcenproduktivität die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ zu steigern, die „Vermarktung von Zukunftstechnologien“ zu fördern und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

In einigen Punkten gehen Union und SPD über Rot-Grün sogar hinaus. So soll es ein Programm zur ökologischen Gebäudesanierung „von mindestens 1,5 Milliarden Euro pro Jahr“ geben. Die Mittel für Energieforschung sollen schrittweise auf 1 Milliarde Euro pro Jahr steigen. Eine neue „Bundesstiftung Naturerbe“ wird die Naturschutzgebiete zusammenfassen. Außerdem planen die Koalitionäre, die zahlreichen Umweltgesetze in einem neuen Umweltgesetzbuch zu versammeln und zu vereinfachen. Zu einer Rücknahme ehrgeiziger Ziele kommt es dagegen in der Klimaschutzpolitik. Rot-Grün hat die Vorreiterrolle bislang so definiert, dass Deutschland seine Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent reduzieren soll, während für die Europäische Union 30 Prozent angepeilt werden. Schwarz-Rot dagegen streicht das höhere Ziel von „40 Prozent“ und ersetzt es durch eine unverbindliche Formulierung.

Union und SPD haben sich zudem geeinigt, stromintensive Unternehmen mit höchstens 0,05 Cent pro Kilowattstunde für Ökoenergie zu belasten. Das heißt: Die Industrie bezahlt einen kleineren Teil der Ökostrom-Förderung. „Und die Privathaushalte werden mehr belastet“, kritisiert der grüne Fraktionsvize Reinhard Loske. Davon abgesehen behalten Union und SPD die Förderung der regenerativen Energien aber bei.

Dissens gibt es weiter bei der Atomenenergie. Die Union will den Ausstieg aufschieben, die SPD steht zum sukzessiven Abschalten der Atomkraftwerke. Entscheiden müssen am Ende die Koalitionsspitzen.

Der schwarz-rote Kompromiss der Koalitionsunterhändler zur Agrar- und Verbraucherpolitik liest sich ebenfalls wie ein halbgrünes Programm. So einigten sich Union und SPD darauf, die „ökologisch wirtschaftenden Betriebe zu stärken“. Die Ökohöfe sind zum Symbol der rot-grünen Agrarwende geworden. Allerdings: Wie viel Euro den Biobauern tatsächlich zufließen, ist Ländersache. Vor allem Bayern hilft den Ökobetrieben mit viel Geld. Ausgerechnet im Stammland des designierten CSU-Agrarministers Horst Seehofer erhalten die Biobauern jedes Jahr 255 Euro pro Hektar – das ist bundesweiter Rekord.

Auch bei der grünen Gentechnik setzte sich die Union nicht mit dem harten Kurs durch, den sie zuvor propagiert hatte. Die strittigste Frage: Wer haftet für Schäden, die durch den Anbau von genmanipulierten Pflanzen entstehen? Bläst der Wind zum Beispiel gentechnisch veränderte Rapspollen auf das Feld eines Biobauern, wird seine Ernte verunreinigt und unverkäuflich. Nach derzeitigem Recht muss automatisch der Genbauer in der Nachbarschaft haften. Um die finanzielle Last der Haftung zu mindern, wollte die Union ursprünglich einen Haftungsfonds einrichten, der aus Steuermitteln gespeist werden sollte. Der ist mittlerweile vom Tisch. Schließlich weiß auch die Union nicht, woher das Geld angesichts des derzeitigen Haushaltslochs kommen soll. Nun will die Koalition lediglich „darauf hinwirken“, dass die Saatgutfirmen selbst einen Fonds finanzieren, der im Schadensfall greift. Das lehnt die Industrie bislang ab.

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