Berliner bleiben doof wie Stulle

Im Ländervergleich der zweiten Pisa-Studie schneidet Berlin wie erwartet schlecht ab. Ganz weit vorn sind Berliner Schüler nur im Zuspätkommen. Schulsenator Böger sieht sich dennoch bestätigt

von ALKE WIERTH

Zumindest in einem sind die Berliner Schüler Spitze: im Zuspätkommen. Und da sie auch in der Kategorie „Problemlösen“ nicht auf einem der drei letzten Plätze beim Pisa-Ländertest landen, haben sie dafür wahrscheinlich immer gute Entschuldigungen parat. Ansonsten steht Berlin allerdings schlecht da im aktuellen Vergleich der Bildungsforscher: auf dem vorletzten Platz in Mathe, dem drittletzten in Lesekompetenz, dem viertletzten im Bereich Problemlösekompetenz und dem immerhin bloß fünftletzten in den Naturwissenschaften. Während sich andere Bundesländer im internationalen Vergleich nach oben bewegten, bleibt Berlin im unteren Drittel.

Rund 4.500 fünfzehnjährige Berliner Schülerinnen und Schüler wurden für die Untersuchung Pisa 2003 an 114 Schulen getestet. Darunter waren 25 Haupt- und Realschulen, 28 Gesamtschulen, 33 Gymnasien, 2 Berufsschulen und eine Waldorfschule. In Berlin ist mit 34,5 Prozent der Anteil von Gymnasiasten besonders hoch, das heißt, hier haben auch Schüler aus sozial und ökonomisch schlechter gestellten Familien durchaus Chancen, aufs Gymnasium zu kommen.

Ob sich das bezahlt macht, stellt die Pisa-Studie in Frage. Ein „schlechtes Kompetenzniveau“ bescheinigt die Untersuchung den Berliner Gymnasiasten: Sie sind viele, aber sie lernen zu wenig. „Nicht überall, wo Gymnasium draufsteht, ist auch Gymnasium drin“, sagt Manfred Prenzel, Sprecher des Pisa-Konsortiums. Im Schnitt um die 50 Punkte weniger als die bayerischen erreichten die Schüler der Berliner Gymnasien in den getesteten Kompetenzbereichen.

Berliner Hauptschüler schneiden erheblich schlechter ab. In Mathe liegen sie rund 200 Punkte unter dem Niveau der Gymnasiasten: 567 Punkte schafften da die Gymnasien, die Hauptschulen nur 374. Auffällig ist die lange Schullaufbahn Berliner Hauptschüler: Noch über ein Drittel der 15-Jährigen besucht dort die 8. Klasse, an der Gesamtschule sind es 15 Prozent und am Gymnasium nur 5 – ein Hinweis auf verspätete Einschulungen und/oder häufiges Sitzenbleiben.

Trotz der sehr schlechten Leistungen sieht sich Schulsenator durch die Pisa-Ergebnisse bestätigt: Ein Schritt in die richtige Richtung sei die frühe und verpflichtende Sprachförderung. Tatsächlich zeigt die Studie, wie entscheidend Sprachkompetenz ist: In Mathe liegen die Werte der Schüler, in deren Familien überwiegend Deutsch gesprochen wird, erheblich über denen derjenigen, die zu Hause andere Sprachen sprechen.

Dies birgt vor allem in Berlin enorme Sprengkraft: Rund 26 Prozent der in Berlin getesteten Schüler haben einen Migrationshintergrund, im Bundesländervergleich haben nur Bremen und Hamburg höhere Anteile. Überdurchschnittlich ist in Berlin die Zahl der aus der Türkei stammenden Familien: 35 Prozent sind es in Berlin, in Bremen sind es 27 Prozent. Dass gerade in diesen Familien laut Pisa-Studie vergleichsweise wenig Deutsch gesprochen wird, kann sich nachteilig auf den Schulerfolg auswirken. Ein Indiz dafür: Hier geborene Kinder türkischer Eltern schneiden schlechter ab als neu zugewanderte Jugendliche aus der früheren Sowjetunion.