„Selbst diese Behörde kann besser werden“

Bildungssenator Klaus Böger (SPD) warnt nach den erneut mangelhaften Noten für Berliner Schüler vor operativer Hektik. Bisher habe vieles gut Gemeinte keine Ergebnisse gezeigt. Jetzt sei kollegiale Zusammenarbeit nötig

taz: Herr Böger, mögen Sie Pisa?

Klaus Böger: Die Stadt schon. Die Pisa-Untersuchung ist eine produktive Herausforderung. Aber ich stehe dazu, dass die Teilnahme an diesen Studien richtig war, und ich stehe auch zu den Ländervergleichen.

Nützen die Ergebnisse den Berliner Schulen?

Ja, gewiss. Ich glaube, dass wir produktiv damit umgehen können. Zwei Reaktionen wären jetzt falsch. Zum einen, die Ergebnisse abzulegen und zu sagen: weiter so. Zum anderen, in operative Hektik zu verfallen bei pädagogischer Windstille.

Im Vergleich des ökonomischen, sozialen und kulturellen Status der Länder steht Berlin an bester Stelle. Wir haben hervorragende Bedingungen, aber schlechte Leistungen. Warum?

Das ist ein Fakt, der mich selbst überrascht hat. Da gestehe ich, ich brauche Zeit, mich mit der Systematik der Studie vertrauter zu machen. Was die Beziehung zwischen Sozial- und Leistungsstruktur betrifft, enthält die Untersuchung konträre Aussagen.

Da ist Berlin ja vergleichsweise besser als andere Länder.

Das Problem von Berlin ist, dass unsere Schüler bei vergleichsweise besseren Chancen sehr schlechte Kompetenzen haben.

Heißt das, wir haben schlechte Schulen?

Die Schuldfrage ist vor Gericht entscheidend, aber nicht in der Pädagogik. Ich glaube, dass unsere Schulen, die Eltern, die Politik insgesamt gefordert sind. Aber zentral für die Lösung sind Lehrerin und Lehrer und die Organisation Schule.

Greifen denn die nach Pisa 1 gestarteten Maßnahmen nicht?

Wir haben ein systematisches Netzwerk von Qualitätssicherungsmaßnahmen über das Bildungssystem gelegt. Es braucht aber Zeit, die Bereitschaft zur Evaluation zu entwickeln.

Sie haben klar gesagt, dass eine besonders problematische Gruppe die aus der Türkei stammenden Zuwanderer sind. Die werden seit Jahren besonders gefördert. Nützt das nichts?

Vieles gut Gemeinte hat keine Ergebnisse gezeigt. Wir sehen ja eine Regression: Wir haben die besten Ergebnisse bei denen, die gerade eingewandert sind, und die schlechteren bei denen, die schon hier geboren sind. Da müsste eigentlich der Prozess der Integration schon vorangeschritten sein. Das Gegenteil ist aber der Fall.

Wie kommt das?

Das Nichtbeherrschen der Verkehrssprache, auch gewisse kulturelle Defizite führen dazu, dass systematisch Bildungsmisserfolge produziert werden. Wir sehen da Abkapselungstendenzen, die auch mit der sozialen Lage zu tun haben.

Loben Sie doch die Berliner Schüler nun auch mal.

Wir können sie dafür loben, dass sie nicht ganz schlecht sind. Die Berliner sind ja offensichtlich pfiffig im Lösen von Problemen. Wir brauchen Engagement und Ermutigung. Es hilft nichts, in Schuldzuweisungen zu verfallen. Klar hat Politik Verantwortung. Aber was wir jetzt brauchen, ist kollegiale Zusammenarbeit. Wir brauchen mehr Fortbildungen und erweiterte Selbstständigkeit von Schulen. Und selbst diese Behörde kann besser werden.

INTERVIEW: ALKE WIERTH