Föderalismusreform fertig, Gegner auch

Die große Koalition steht mit Mutter aller Reformen vor dem Ziel. Die Vergabe aller Bildungskompetenzen an die Länder, ruft Widerspruch hervor. Quer durch den Bundestag gibt es den Wunsch, der Bund solle den Rahmen für Schulen und Unis setzen

Die Abgesandten von CDU/CSU und SPD saßen gestern zusammen, um letzte Hand an das Reformprojekt zu legen, das vielen inzwischen als „Mutter aller Reformen“ gilt. Die Neuabstimmung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern muss eine Zweidrittelmehrheit in den beiden Kammern, Bundestag und Bundesrat, finden. Allerdings pochten gestern nicht allein die Ministerpräsidenten darauf, vor Unterzeichnung des Koalitionsvertrages in Kenntnis gesetzt zu werden – und notfalls Änderungen vorzunehmen.

Im Bundestag braut sich dieser Tage so etwas wie eine interfraktionelle Gegnerschaft zur Föderalismusreform zusammen, wie sie geplant wird. Hauptstreitpunkt sind dabei die fast gänzlich an die Bundesländer verschobenen Bildungskompetenzen, die es dem Bund verbieten würden, selbst so stark nachgefragte Programme wie den Ausbau der Ganztagsschulen anzuschieben. Das Ausklammern der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern stößt bei der FDP auf Kritik.

Die Phalanx der Gegner reicht von PDS bis zur SPD, selbst in der CDU-Fraktion gibt es Kritik an der neuen Länderallmacht in der Bildung – wenn auch nicht öffentlich geäußert. Der SPD-Bildungsexperte Steffen Reiche sagte in der taz, „die große Koalition muss diese Pläne sofort stoppen“. Der Abgeordnete war Bildungsminister in Brandenburg und verwies auf die überwältigende Zustimmung der Bevölkerung zu Gesetzgebungskompetenzen für den Bund in Schul- und Hochschulfragen.

Die FDP will einen „Rahmen in der Bildungspolitik, der Durchlässigkeit garantiert“. Man könne nicht Mobilität fordern – und sie den Menschen dann durch ein so zersplittertes Bildungsland schwer machen, sagte der Abgeordnete Hellmut Königshaus (FDP), der eine gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes sieht.

Grüne und Linkspartei gehen weiter. Sie forderten übereinstimmend, ein Rahmengesetz zu verabschieden, um dem Bund Bildungskompetenzen zu erhalten. „Für Eltern, die mit ihren Kindern von A nach B umziehen, werden erhebliche Nachteile entstehen – bis zur Klassenwiederholung“, warnte die grüne Bildungssprecherin Grietje Bettin vor der Komplettverschiebung der Bildung. Bettin fordert ein schlankes Schulrahmengesetz.

Die Abgeordnete der Linkspartei, Nele Hirsch, brachte ein Bildungsrahmengesetz ins Spiel. Es müsse für Schulen und Hochschulen mindestens minimale Eingriffsmöglichkeiten geben, sagte sie der taz. Der Bund könne es nach den erschütternden Ergebnissen der jüngsten Pisa-Studie nicht zulassen, dass die Länder ein Schulsystem betreiben, „das ein Viertel seiner Schülerinnen und Schüler hinten runterfallen lässt“.

Die Föderalismusreform war im Dezember letzten Jahres noch gescheitert, weil der SPD die Blankovollmacht für die Länder bei der Bildung zu weit gegangen war. Die von Edmund Stoiber und SPD-Chef Franz Müntefering danach ausgearbeiteten Kompromisse in den Hauptknackpunkten – Bildung, Umwelt, innere Sicherheit und Europa – holte die zuständige Arbeitsgruppe von SPD und Union nun aus der Schublade. Alle Versuche, auf die Probleme der Bildungsvereinbarungen hinzuweisen, scheiterten. Noch dieser Tage war die scheidende Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) Gast in der Arbeitsgruppe Föderalismus, stieß dem Vernehmen nach aber auf Widerstand auch bei Parteifreunden. Ihre designierte Nachfolgerin, Annette Schavan (CDU), zeigte sich unterdessen einverstanden mit den Regelungen – obwohl ihre Zuständigkeit dadurch auf ein Minimum beschnitten wird.

Die Länder haben in der Tat viel erreicht. In der Schul- und Hochschulpolitik bekommen sie weitgehend das Sagen. Und im Umweltbereich, wo der Bund prinzipiell zuständig ist, werden sie künftig von Bundesregelungen abweichen können. Die Grünen zeigten sich damit nicht einverstanden. Damit werde die Absicht unterlaufen, bei einem umweltrelevanten Planungsvorhaben alle Genehmigungen in einem Verfahren zu bündeln.

Die Föderalismusverhandler reagierten darauf gestern zunächst nicht. Allerdings konnten sie wegen offener Detailfragen keine Einigung erzielen – und vertagten sich erstmal auf Montag. CIF, KPK, DPA

meinung und diskussion SEITE 11