Monopole machen müde

Der Verkauf der „Berliner Zeitung“ zeigt: Die deutsche Presse steht vor einem Umbruch. Finanzinvestoren bieten auch Chancen – vor allem, wenn sie aus dem Ausland kommen

Das Vorhaben der Großverleger, das Kartellrecht aufzuweichen, ist gefährlich

Die Zeitungsmacher vom Alexanderplatz haben bis zuletzt gekämpft. Am Ende hat die Investorengruppe um David Montgomery doch zugeschlagen und die Berliner Zeitung gekauft. Nicht nur das: Der Verhasste hat sogar erklärt, nun von Berlin aus den deutschen Zeitungsmarkt zu erobern und sich nach und nach eine Kette zusammenzukaufen. Nun ist schon wieder eine Zeitung im Angebot: Die SPD hat mit Gesprächen über den Verkauf der Frankfurter Rundschau begonnen, die sie 2004 vor der Pleite gerettet hatte. Ein deutscher Verleger soll es sein – bloß kein ausländischer Finanzinvestor.

Diese Ereignisse und die Strukturen des Zeitungsmarktes sprechen dafür, dass man sich mit Investoren neuen Typs grundsätzlich beschäftigen muss. Zwar war der Protest gegen den Berliner Investor Montgomery richtig: Er hat in Großbritannien Zeitungen brutal auf Kosten des Journalismus saniert. Jedoch sind Finanzinvestoren nicht zwingend schlecht – vor allem, wenn man die Alternativen betrachtet. Wer Geld braucht, muss Kompromisse eingehen. Der Einstieg von Kapitalgesellschaften kann den deutschen Pressemarkt sogar beleben.

Deren Engagement zeigt, wie attraktiv der deutsche Zeitungsmarkt für Investoren ist, die Verlage als Geldanlage ansehen. Die US-Kapitalgesellschaft Hellmann & Friedmann ist an Springer beteiligt. 3i mit Hauptsitz in London bot 2004 erfolglos um die Frankfurter Rundschau mit, machte im Fall der Berliner Zeitung einen Rückzieher, hat jedoch sein Interesse am deutschen Zeitungsmarkt bekräftigt. Fest steht: Die deutschen Zeitungen brauchen Geld. Geld für neue Technik. Geld für redaktionelle Konzepte, die endlich junge Leser begeistern. Geld, um ihre Online-Angebote konkurrenzfähig zu machen. Geld, um Einbrüche bei den Anzeigeneinnahmen zu überbrücken.

Finanzinvestoren haben dieses Geld, das ist der Vorteil. Dafür ist ihnen die gesellschaftliche Aufgabe der Presse egal, sie wollen in überschaubarer Frist hohe Renditen sehen. Nur wenn sie glauben, dass sie dieses Ziel mit journalistischer Qualität erreichen können, werden sie Geld für Qualität zur Verfügung stellen. Verlegerische Kompetenz? Das Verständnis für eine Branche müssen sich Kapitalgesellschaften einkaufen – aber man muss auch nicht als Verleger geboren werden. Redaktionelle Unabhängigkeit? Eingriffe sind vorstellbar – etwa wenn ein Investor Beteiligungen aus anderen Branchen hoch schreiben lässt.

Eine Alternative wäre der Einstieg von Banken. Doch wie skeptisch sie die Medienbranche sehen, zeigen schon die Schwierigkeiten, die Verleger haben, an Kredite zu kommen. Ein Bank als Zeitungseignerin kann sich zudem auf ebenso wenig ureigene Kompetenz berufen wie ein Finanzinvestor. Und auch bei ihr wären Eingriffe in die Unabhängigkeit vorstellbar: Eine Krise der Einzelhandelskette, bei der wir mit 30 Prozent dabei sind? Warum schreibt unsere Zeitung eigentlich nie etwas über die schlechte Qualität der anderen Supermärkte?

Eine weitere potenzielle Kapitalquelle sind Zeitungskonzerne wie Springer, die WAZ aus Essen, Alfred Neven DuMont aus Köln oder Dirk Ippen aus München. Die meisten von ihnen haben in der Vergangenheit schon bei krisenhaften Blättern zugegriffen. Inzwischen ist die Konzentration so weit fortgeschritten, dass die zehn größten deutschen Tageszeitungsverlage über 50 Prozent des Marktes beherrschen und bei weiteren Kaufwünschen an die Grenzen des Kartellrechts stoßen. Wenn sie weitere Zeitungen schlucken, würde das die Meinungsmacht einiger weniger erhöhen. Und: In den letzten Jahren haben sich Deutschlands Zeitungskonzerne nicht durch Investitionen in die journalistische Qualität hervorgetan. In Regionen, in denen sie über Monopolstellungen verfügten, wurden die Redaktionsetats so stark gekürzt, dass jeder Fondsmanager seine Freude gehabt hätte.

Kirchen, Parteien – wie die SPD bei der Frankfurter Runschau – und andere gesellschaftliche Gruppen als Investoren haben ebenfalls ihre Nachteile. Selten verfügen sie über viel Geld und bei einer Reihe von Themen haben ihre Medien ein Glaubwürdigkeitsproblem. Bleibt noch die Möglichkeit, dass Geld aus anderen Industrien in die Zeitungen fließt. In Frankreich hat sich der Rüstungsfabrikant Serge Dassault letztes Jahr die Mehrheit an Le Figaro gekauft, der Rüstungs- und Medienkonzern Lagardère hält seit dem Frühjahr 15 Prozent an der Verlagsholding von Le Monde. Bei Le Monde hat die Beteiligungsgesellschaft der Redakteure eine Sperrminorität. Prinzipiell gilt bei Industriekapital aber, dass es dem Eigentümer nützen kann, in die Arbeit der Journalisten einzugreifen, um andere Geschäfte zu befördern. Zudem erwarten auch diese Investoren hohe Renditen. Oder sie sehen die Zeitung nur als Spielzeug, dann werden sie die Redaktion lenken wollen wie ihr neuestes Cabrio.

Kurz: Alle anderen Kapitalquellen sind ähnlich problematisch wie Finanzinvestoren. Ob die Qualität kaputt gespart wird und ob Interessenverquickungen die Unabhängigkeit einer Redaktion zerstören, wird davon abhängen, ob mehrere Zeitungen in einem Markt konkurrieren. Dann können Leser vergleichen, Journalisten den Job wechseln, Informanten eine Sauerei dem Konkurrenzblatt stecken.

Das Vorhaben der Großverleger, die Kartellbestimmungen im Pressewesen aufzuweichen, ist deshalb gefährlich. Im ersten Anlauf scheiterten sie damit an den Grünen und Teilen der Union – gut möglich, dass die Verleger nun einen zweiten Anlauf unternehmen.

Dabei ist das alte Kartellrecht ohnehin schon so ausgereizt, dass es in Deutschland in sehr vielen Regionen nur eine Zeitung gibt. Die Gebiete sind abgesteckt, niemand betritt den Rasen des anderen. Immerhin ist die Pressekonzentration in der Bundesrepublik durch deutsche Großverlage noch nicht so weit fortgeschritten wie in einigen osteuropäischen Ländern: In Polen oder Kroatien muss die Furcht in Deutschland geradezu für Gelächter sorgen. Springer gehört die auflagenstärkste polnische Tageszeitung, die WAZ-Gruppe dehnt ihr Osteuropa-Geschäft Jahr für Jahr aus. In Bulgarien dominiert sie rund zwei Drittel des Zeitungsmarktes, in Kroatien 70 Prozent. Die Deutschen sind auf diese Märkte ausgewichen, weil ihnen in der Heimat das Kartellrecht im Wege steht.

Deutschlands Zeitungen benötigen Kapital. Und wer Geld braucht, muss Kompromisse eingehen

Hierzulande könnten Finanzinvestoren von außen sogar mehr Wettbewerb bringen. Sie wollen ihre Beteiligungen wachsen sehen, um später einen gut gehendes Geschäft verkaufen zu können. Sie könnten dazu Zeitungsketten bilden, aber auch versuchen, in den jeweils benachbarten Markt einzudringen. Das Kapital dazu haben sie.

Dass es sich dabei meist um Geld aus dem Ausland handelt, ist keineswegs eine Bedrohung. Den hohen Konzentrationsgrad bewirken in Deutschland keine Ausländer, sondern die einheimischen Verleger – ihnen werden künftige Mitbewerber am Markt gut tun. Denn die Konkurrenz macht Zeitungen lebendig, Monopole schläfern sie ein.

GEORG LÖWISCH