Mitschuld entsorgt

Hannes Heer las im Schauspielhaus aus „Hitler war‘s – Die Befreiung der Deutschen von ihrer Geschichte“

„Hitler war‘s“: Diese These präge derzeit den Diskurs über die nationalsozialistische Historie. „Längst hat sich eine geschichtspolitische Wende vollzogen,“ betont Hannes Heer. Anlässlich einer Lesung aus seinem gleichnamigen Aufsatzband wies der Historiker am Freitag ein „Rollback zum Geschichtsbild der fünfziger Jahre“ nach, das Hitler zum alleinigen Sündenbock des Nationalsozialismus mache.

Über 50 Gäste waren zur Buchpremiere ins Schauspielhaus gekommen. Gleich zu Beginn provozierte Heer mit den Worten Saul K. Padovers. Der amerikanische Offizier der „Abteilung für psychologische Kriegsführung“ resümierte bereits 1944: „Es heißt, dass Hitler die Sache ganz alleine durchgezogen hat. Er hat den Krieg angefangen, er hat ganz Europa erobert (...) Ich kenne nur zwei Menschen (...) die das können. Der andere ist Superman“.

Auch Guido Knopps ZDF-Fernsehserien vermittelten, „dass 80 Millionen Deutsche nichts als Marionetten waren“, so Heer. Im Übrigen zielten die Knopp‘schen Nazi-Clips kaum auf die Rekonstruktion realer historischer Ereignisse. Die „lästige Erbschaft – die Hitler-Diktatur und der Holocaust“ zitiert Heer Knopps Intention, solle vielmehr das „Defizit an ‚Wir-Bewusstsein‘“ beseitigen helfen.

Und auch wenn Heers Buch über den am Freitag präsentierten Knopp-Aufsatz sechs weitere enthält, verwiesen einzelne Zuhörer doch darauf, dass es daneben durchaus kritische Strömungen aktueller Geschichtsaufarbeitung gebe. „Die dominieren die Massenmedien aber nicht“, konterte Heer, dessen Band auch die Perspektiven eines Uwe Timm oder einer Tanja Dückers präsentiert. Andreas Speit

Hannes Heer: „Hitler war‘s“. Berlin 2005, 438 S., 24,90 Euro