DIE KRITIK AM BRUTALEN REGIME IN ASERBAIDSCHAN KOMMT ZU SPÄT
: Ohne Überläufer keine Revolution

Eine Revolution nach dem Vorbild des kaukasischen Nachbarn Georgien steht trotz des massiven Wahlbetrugs des aserbaidschanischen Herrscherhauses in Baku nicht auf der Tagesordnung. Stattdessen bewegt sich im Westen etwas. Vertreter europäischer Institutionen haben die Manipulation der Wahlen in ungewohnt harschem Ton kritisiert. Selbst Washington, das den Öl-Potentaten Ilham Alijew bislang gewähren ließ, konnte da nicht still bleiben. Die Glaubwürdigkeit des Westens steht auf dem Spiel, der beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft Aserbaidschan bislang nur halbherzig assistiert hat. Wichtiger waren Energie- und Wirtschaftsinteressen, die ohne Zustimmung des Alijew-Clans nicht realisierbar sind. Daran dürfte sich auch in Zukunft nicht viel ändern.

Die Kritik ist zwar richtig, kommt aber zu spät, um den ressourcenreichen Staat noch zu demokratisieren. Die meisten Bürger haben den Glauben an den Westen und dessen Werte spätestens nach der getürkten Präsidentschaftswahl und dem brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten im Herbst 2003 verloren. Mit der Glaubwürdigkeit des Westens sank auch die Popularität der Opposition, die sich dessen Normen zumindest auf die Fahnen geschrieben hatte. Die zögerliche Haltung der Demokraten in Europa und den USA hat den Gegnern des Regimes die Hände gebunden. Sie konnten nicht sicher sein, ob sie sich bei einer Konfrontation mit dem brutalen Regime auf die Hüter von Freiheit und Demokratie verlassen können. Daher demonstrierte in Baku bisher nur ein Bruchteil jener Massen, die in Kiew und Tiflis wochenlang die Straßen säumten.

Dessen ist sich auch die herrschende Elite bewusst. Sie baut darauf, dass die Profitinteressen westlicher Multis schwerer wiegen und der lauten Kritik keine Taten folgen. Daher gibt es aus den Reihen der politischen Führungszirkel keine Überläufer in die Reihen der Opposition – und sie waren bei den Revolten in Georgien oder der Ukraine wesentlich. Ohne deren Mitwirken sind „orangene Revolutionen“ zum Scheitern verurteilt und enden blutig. KLAUS-HELGE DONATH