„Zivilcourage zeigen und nicht wegsehen“

Polizei und Schule haben ihre Zusammenarbeit in den letzten Jahren deutlich verbessert. Mehr Beamte nichtdeutscher Herkunft wären aber hilfreich, findet Polizeiabschnittsleiter Gary Menzel, um das Vertrauensverhältnis auszubauen

taz: Die Polizei hat ihre Präventionsarbeit an den Schulen verstärkt. Wie kann man sich das vorstellen?

Gary Menzel: In jedem Polizeiabschnitt gibt es einen Präventionsbeauftragten. Der hält mit den Schulen Kontakt und führt mit Unterstützung der Kollegen und Kolleginnen des jeweiligen Polizeiabschnitts Veranstaltungen durch. Auch die Schulen haben sich auf die Polizei zubewegt. Früher wurden wir da ja gerne außen vorgelassen. Auch die Zusammenarbeit von Eltern und der Polizei hat sich deutlich intensiviert.

Was machen die Beamten mit dem Schülern und Schülerinnen im Unterricht konkret?

In der Regel werden Antigewalttrainings durchgeführt. Dabei geht es darum, das Selbstbewusstsein der Schüler und Schülerinnen zu stärken, sich gegen Gewalt durchzusetzen. Wohlbemerkt nicht in Form von physischer Gewalt, sondern indem man Zivilcourage zeigt und nicht wegsieht. Sie sollen sich dabei aber nicht selbst gefährden.

Sie selbst haben vor einiger Zeit in Schöneberg zusammen mit Gangway, dem Bezirksamt und der evangelischen Kirche einen außerschulischen Treff für Migranten-Jugendliche eingerichtet. Mit welcher Haltung sind Ihnen die Jugendlichen anfangs begegnet?

Ausgesprochen misstrauisch. Fast schon ängstlich. Das war ein langwieriger und schwieriger Prozess.

Aus welchem Grund?

Etliche Jugendliche beziehungsweise deren Eltern haben mit der Polizei in den Herkunftsländern nicht unbedingt positive Erfahrungen gemacht. Insbesondere in Staaten, wo Polizei und Militär gleichgestellt sind. Das kann ich gut nachvollziehen. Wenn sie dann die Sprache nicht so gut beherrschen, haben sie Probleme, zu verstehen, was man als Polizist von ihnen erwartet. Da hilft nur der kommunikative Weg, um das aufzulösen.

Duzen Sie sich mit den Jugendlichen?

Ich duze mich nicht und erwartet das eigentlich auch umgekehrt. Das ist aber mein persönlicher Stil. Mir geht es nicht darum, Distanz zu schaffen, sondern darum, eine gegenseitige Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. Angesichts meines Alters könnte das Du auch als Anbiederung verstanden werden und kontraproduktiv sein. Damit werden Distanzen überwunden, die die Jugendlichen vielleicht selbst erst mal aufrecht erhalten wollen, bis ein bestimmtes Vertrauensverhältnis geschaffen ist.

Wie lange dauert das im Schnitt?

Das liegt an der jeweiligen Persönlichkeit. Ich würde sagen, die Spanne beträgt 3 Sekunden bis 30 Jahre.

Wie reagieren Sie, wenn Sie als Bulle betitelt werden?

Der Ton macht die Musik. Wenn es halbwegs nett gesagt ist, stört mich der Ausdruck Bulle nicht. Aber ich bringe schon zum Ausdruck, dass ich das nicht für die richtige Kommunikationsbasis halte. Mein Bestreben ist es, zu einem vernünftigen Austausch zu kommen. Aber ich falle nicht mit der Tür ins Haus. Wenn mit der Betitelung Bulle nur bezweckt wird, mich oder meine Mitarbeiter herabzusetzen, breche ich so ein Gespräch aber ab.

Der Anteil der Beamten nichtdeutscher Herkunft innerhalb der Polizei soll mittelfristig auf zehn Prozent angehoben werden. Wie finden Sie das?

Um interkulturelle Kompetenz zu zeigen, sind diese Kollegen schlichtweg erforderlich. Nicht nur um Sprachbarrieren und Mentalitätsunterschiede zu überwinden, sondern auch um ein Vertrauensverhältnis zu schaffen.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE