Ein Protestklick gegen die Steuerpolitik

Campact, Attac und die IG Metall starten Online-Demo gegen Pläne der großen Koalition – und fordern Rückkehr der Vermögensteuer

BERLIN taz ■ Franz Müntefering mit Pinocchio-Nase? Kennt man eigentlich aus der Bild-Zeitung. Und Christoph Bautz vom Kampagnennetzwerk campact.de lächelt ein wenig verlegen, wenn er auf die Parallele angesprochen wird. Dennoch hält er die Illustration der neuesten Protestaktion für gelungen. „Im Wahlkampf hat die SPD damit gewonnen, die ‚Merkelsteuer‘ zu verhindern. Jetzt schlägt sie ihr Versprechen in den Wind.“ Deshalb ruft campact gemeinsam mit dem Netzwerk Attac und der IG Metall zur Online-Demo mit E-Mails an die SPD-Abgeordneten gegen die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer auf.

Das Hauptargument: Eine höhere Mehrwertsteuer sei sozial ungerecht und belaste die eh schon viel zu schwache Inlandsnachfrage. Nach einer Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) zehrt die Mehrwertsteuer bei den ärmsten Haushalten 10 Prozent des Einkommens auf. In der Mittelschicht sind es rund 8 Prozent, in der obersten Einkommensklasse nur 5,7 Prozent. „Die unteren Einkommen würden durch eine Anhebung der Mehrwertsteuer stärker belastet“, sagt Wolfgang Rohde, Vorstandsmitglied der IG Metall. Hinzu kämen die Preissteigerung insgesamt. Die Inflationsrate werde um 0,9 Prozent steigen, sollte die Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte erhöht werden.

Dass der Staat mehr Geld braucht, bestreiten auch die Initiatoren der Protestaktion nicht. Ursache für das Haushaltsloch seien aber vor allem die Steuerpolitik unter Rot-Grün, die Spitzenverdiener und Unternehmen massiv entlastet habe. „Ohne die Steuergeschenke in Höhe von 60 Milliarden Euro hätte es das Haushaltsloch nicht gegeben“, sagt Detlev von Larcher, Mitglied des Attac-Koordinierungskreises.

Deshalb müsse auch an diesem Punkt angesetzt werden. Die Vermögensteuer, die 1997 wegen eines Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt wurde, müsse wieder eingeführt werden. Das Gericht habe damals nicht die Vermögenssteuer grundsätzlich abgelehnt, sondern nur die ungleiche Bewertung von Immobilien und Geldbesitz, sagt von Larcher. Würden Häuser und Grundstücken nun stärker bei der Besteuerung berücksichtigt, wäre die Vermögenssteuer wieder möglich – und würde 16 Milliarden Euro in die Staatskassen bringen. Weitere 4 Milliarden Euro kämen durch eine höhere Erbschaftssteuer hinzu.

Ferner forderte von Larcher bei den Unternehmen Steuerschlupflöcher zu schließen. Denn der Steuersatz von 38,5 Prozent stehe nur auf dem Papier, tatsächlich würden im Schnitt nur 10 Prozent Gewinnsteuern bezahlt. International tätige Konzerne hätten zum Beispiel die Möglichkeit, Kosten in Hochsteuerländer und Gewinne in Staaten mit niedrigen Steuern zu verschieben. Zumindest auf EU-Ebene müsse daher ein einheitlicher Mindeststeuersatz eingeführt werden.

STEPHAN KOSCH

www.campact.de