Regiefehler im Finanztheater

Der Schaubühne werden kurzfristig 600.000 Euro Fördergelder gestrichen. Das Geld bekommt im nächsten Jahr das Tanzensemble von Sasha Waltz. Dem Theater aber droht nun die Insolvenz

VON TINA HÜTTL

„Die Messen sind gesungen“, kommentiert Torsten Wöhlert die Entscheidung des parlamentarischen Hauptausschusses von Mittwochnacht. Was der Sprecher von Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei.PDS) dabei meint: die Kürzung des Etats der Berliner Schaubühne um 600.000 Euro für das Jahr 2006 steht unumstößlich fest. Damit könnte auch die letzte Messe für das Theaterhaus am Lehniner Platz gesungen sein. Seit Jahren besteht dort eine anerkannte Unterfinanzierung. Angesichts der Kürzung droht nun die Insolvenz. Denn sämtliche Mittel für die Spielsaison 2006 seien bereits fest gebunden, sagt der Regisseur des Hauses, Thomas Ostermeier. Er und die Kulturverwaltung hoffen nun auf die letzte Rettung durch Lottomittel.

„Geben und nehmen“ lautete wohl die Devise des Kultursenats, als er die Etats der einzelnen Berliner Bühnen festlegte. Überraschend war die Entscheidung des Abgeordnetenhauses daher nicht. Bereits seit Beginn der Haushaltsberatungen im Unterausschuss Theater stand fest, dass die 600.000 Euro, die der Schaubühne genommen werden der Tanzkompagnie von Sasha Waltz gegeben werden. Die hatte sich kürzlich von der Schaubühne getrennt. Damit reduziert sich der Förderbetrag für das Theater von derzeit 12,28 Millionen auf rund 11,68 Millionen Euro jeweils für 2006 und 2007.

Zwei Monate vor dem Jahreswechsel steht der Spielplan samt Verträgen für Mitarbeiter und Künstler aber längst fest. „Als privates Theater, das nicht wie die staatlichen überziehen kann, bleibt uns nur die Insolvenz“, sagt Ostermeier – hörbar wütend auf die Kulturverwaltung.

Schuld an der Finanzmisere fühlt man sich dort aber nicht. Ursprünglich sei geplant gewesen, der Schaubühne auch im neuen Haushalt die gleichen Mittel einzuräumen, sagt Wöhlert. Für die Choreografin Sasha Waltz, die zu diesem Zeitpunkt noch vertraglich bis Mitte 2007 an die Schaubühne gebunden war, habe man sogar extra Gelder beantragt. „Doch die Finanzverwaltung hat das abgelehnt.“ Immerhin habe sie dem Tanzensemble aber einen eigenen Haushaltstitel eingerichtet. Als Waltz im Oktober überraschend die Kooperation zum 28. Februar 2006 aufkündigte, habe die Finanzverwaltung den Titel für Tanz mit Geldern aus der Schaubühne gestopft, so Wöhlert. Sein Fazit: Wäre es nicht zur Trennung zwischen Waltz und Ostermeier gekommen, gäbe es das Problem jetzt nicht. Auch fügt er hinzu: „Finanziell geht es der Schaubühne nun wie vor der Kooperation mit dem Tanz.“

„Totaler Quatsch“, sagt dagegen Ostermeier, der die Schuldzuweisung an die Künstler für pure Taktik der Kulturpolitiker hält. „Auch ohne die Trennung hat uns Geld gefehlt.“ Die Gemengelage ist äußerst kompliziert: Seit 1999 kohabitieren Tanz und Schauspiel an der Schaubühne. Waltz hat durch eigene Projektförderung selbst 400.000 Euro mit an das Haus gebracht, die sie nun laut Wöhlert wieder bekommen hat. Als Zwei-Sparten-Theater wurde die Schaubühne zudem um insgesamt 400.000 Euro im vergangenen Doppelhaushalt aufgestockt. Rechnerisch hätten dem Tanz hier die Hälfte, also nochmal 200.000 Euro, zugestanden.

So genau habe man die Etats aber nie getrennt, sagt Ostermeier. Zudem verschleierten die Zahlenspiele, dass seit Jahren 900.000 Euro fehlen. Groll auf die ehemalige Partnerin hegt er nicht: „Die eigenständige Finanzierung von Waltz ist kulturpolitisch sinnvoll.“ Doch auch ihre finanzielle Basis ist nicht solide.

Die Rettung der Schaubühne will Wöhlert nun mit „Lottoanträgen hinschaukeln“. Doch der Zugriff auf Gelder der Stiftung Deutsche Klassenlotterie ist begrenzt. Über Anträge befindet nicht der Senat, sondern der Stiftungsrat. Dessen Vorsitzender heißt zwar Klaus Wowereit. Er hat aber stets betont: „Lottogelder fördern Projekte und ersetzen nicht die institutionelle Förderung.“