„Ein Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik“

Die Föderalismusreform birgt viele Vorteile für Berlin, findet der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. Doch die Entscheidungen in Sachen Bildung, Strafvollzug und BKA-Ermittlungskompetenz hält er für nicht vertretbar

taz: Herr Ratzmann, bitte erklären Sie unseren Lesern, warum sie sich für die Föderalismusreform interessieren sollten.

Volker Ratzmann: Das ist eines der wesentlichsten Reformprojekte für die Bundesrepublik. Damit soll die Blockadepolitik zwischen Bundesrat und Bundestag in der Gesetzgebung aufgehoben. Die Länder werden mehr entscheiden können.

Die Föderalismusreform hat aber auch noch andere Folgen.

Man könnte es auf folgenden Nenner bringen: Die Vielfalt der Länder soll da, wo es echten Sinn macht, gestärkt werden. Und die Einheitlichkeit da, wo es notwendig ist.

Werden durch die Reform die Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern wie Bayern und Berlin zementiert?

Als Sicherheit gibt es immer noch das Grundgesetz, das über allem wacht. Auch die Föderalismuskommission hat sich im Dezember vergangenen Jahres klar und deutlich dafür ausgesprochen, an der Chancengleichheit als Staatsziel festzuhalten. Das war ja einer der wesentlichen Streitpunkte. Bis jetzt ist daran nicht gerüttelt worden.

Trotzdem: Der Bildungsstandard droht weiter auseinander zu fallen, wenn die zentrale Planungskommission von Bund und Ländern abgeschafft wird.

Was Bildung und Hochschule angeht, sind wir Grünen auch der Meinung, dass dieser wichtige Bereich nicht in die Kleinstaaterei zerfallen darf. Hier muss es weiterhin eine einheitliche Steuerung geben. Die getroffene Entscheidung ist falsch.

Was sind die Vorteile der Reform?

Bisher war es so, dass der Bund die Gesetze und die Verfahrensvorschriften gemacht hat und die Länder sie ausführen mussten. Jetzt können die Länder selbst entscheiden, wie sie die Aufgaben, die ihnen der Bund zuweist, verwaltungstechnisch umsetzen. Das heißt, die Länder können mehr Kreativität in die Verwaltung bringen. Das ist ein großer Fortschritt. Ein ganz wichtiger Punkt ist auch die Einführung der Hauptstadtklausel ins Grundgesetz.

Wie stehen Sie dazu, dass die Ausgestaltung des Strafvollzugs in Zukunft Ländersache sein soll?

Diese Kompetenz müsste auf Bundesebene angesiedelt bleiben. Das gilt im Übrigen auch für das Versammlungsrecht. Der Strafvollzug ist eine Aufgabe, die in der Bundesrepublik nach einheitlichen Maßstäben vollzogen werden muss. Ein Inhaftierter in Bayern muss nach den gleichen Kriterien resozialisiert werden wie in Berlin oder Brandenburg. Meine Befürchtung ist, dass der Reformvollzug – wie er in den 70er-Jahren angedacht war – den Bach runtergeht, weil die Knackis keine Lobby mehr haben und in den Ländern der Sparzwang regiert.

Das Bundeskriminalamt (BKA) soll weitreichendere Befugnisse bekommen. Was halten Sie davon?

Die Struktur der Bundesrepubik besagt, dass Polizeihoheit Ländersache ist. Der Hintergrund ist, dass in diesem Bereich nicht so viel Macht entstehen sollte. Die Polizei soll bügernah an den einzelnen Problemen ausgerichtet sein. Wenn das Bundeskriminalamt nun eigene polizeiliche Ermittlungshoheiten bekommt, wird sich eine Parallelstruktur aufbauen, die kaum noch mit den Länderstrukturen zu koordinieren ist. Ich halte das für ein richtiges Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik.

Zusammengefasst klingt das fast so, als ob die Nachteile überwögen.

Die Entflechtung von Bundesrat und Bundestag ist ein wirklich positiver Reformschritt, den die Bundesrepublik auch dringend braucht. Aber die übrigen Punkte hätten wir anders geregelt. Dazu gehört auch die Umweltschutzgesetzgebung.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE