Mehrwertsteuer belastet vor allem Geringverdiener

Nicht alle Produkte und Dienstleistungen sind von der neuen Steuer betroffen. Sie lässt sich auch nur schwer auf die Kunden abwälzen

BERLIN taz ■ „Mit oder ohne Rechnung?“ Das könnte bald zu einer beliebten Frage bei der Vergabe privater Aufträge an Maler, Glaser oder Tischler werden. Auch Handwerksleistungen sind von der Erhöhung der Mehrwertsteuer betroffen. So wie die meisten Ausgaben des tägliche Konsums. Ab Januar 2007 müssen für Getränke, Kleidung, Schuhe und Elektronikartikel 19 Prozent Mehrwertsteuer bezahlt werden. Aber auch die Telefonrechnung und Energiekosten unterliegen dem „Normalsteuersatz“ – ebenso wie Autos, Flugtickets und Restaurantbesuche.

„Über kurz oder lang werden die Einzelhändler die Erhöhung an die Kunden weitergeben“, sagt Hubertus Pellengahr vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels der taz. Das würde jeden der 38 Millionen deutschen Haushalte im Schnitt 350 Euro mehr im Jahr kosten, hat das Statistische Bundesamt ausgerechnet. Allerdings nur, wenn die Steuer voll auf die Preise umgewälzt wird. Aber dazu ist das Konsumklima in Deutschland zu schlecht. Schon die letzte Mehrwertsteuererhöhung im Jahr 1998 konnte nur zu Hälfte an die Konsumenten weitergegeben werden.

„Die höhere Mehrwertsteuer auf die Preise umzuwälzen ist am Markt nicht durchsetzbar“, glaubt auch Alexander Legowski vom Zentralverband des Deutschen Handwerks. Er befürchtet eher einen Verlust von Arbeitsplätzen. „Die Konkurrenz ist gigantisch“ sagte Legowski der taz. „Gerade auf kleine Handwerksbetriebe kommen harte Auswirkungen zu“, fürchtet er. Aber auch hier dürften die Folgen für die Verbraucher überschaubar bleiben. Insbesondere weil die große Koalition private Handwerksrechnungen steuerlich absetzbar machen könnte. „Das ist uns fest zugesagt worden.“

An dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent für bestimmte Waren und Dienstleistungen ändert sich nichts. Dazu gehören Nahrungsmittel, der Personennahverkehr, Bücher, Zeitungen und Leitungswasser.

Die Mehrwertsteuer gehört neben der Einkommensteuer zu den wichtigsten Einnahmequellen des Staates. 2003 brachte sie 137 Milliarden Euro in die Kassen, die zu etwa gleichen Teilen auf Bund und Länder aufgeteilt werden. Von der Erhöhung erhofft sich der Staat im günstigsten Fall 24 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Das ist allerdings fraglich, weil die Erhöhung direkt den Konsum belastet. Darüber hinaus ist die Erhöhung unsozial – Geringverdiener werden durch die höhere Mehrwertsteuer relativ stärker belastet als Reiche, da sie den größten Teil ihres Einkommens konsumieren müssen.

Im europäischen Vergleich hat Deutschland bisher den zweitniedrigsten Mehrwertsteuersatz aller 25 EU-Mitgliedstaaten. Mit einer Erhöhung auf 19 Prozent nähert sich Deutschland dem europäischen Durchschnitt von 19,56 Prozent. Spitzenreiter sind Ungarn und Schweden mit 25 Prozent.

Nicht mal vor Toten macht die Steuer halt: Auch Leistungen von Bestattungsunternehmen unterliegen dem vollen Mehrwertsteuersatz. TARIK AHMIA