Via Island in die geheimen CIA-Knäste

Reykjavík will von 67 Jet-Zwischenstopps nichts gewusst haben. Neuer Verdacht gegen Polen und Litauen

STOCKHOLM taz ■ Die Nordatlantikinsel Island war offenbar ein Dreh- und Angelpunkt im Foltercharterverkehr der USA. Wie isländische Medien recherchierten, landeten in den vergangenen vier Jahren 67-mal die für den Transport von Gefangenen in ausländische Haft verwendeten CIA-Flugzeuge mit den Registrierungsnummern N-379P und N-186D auf den isländischen Flughäfen Keflavík und Reykjavík. Dort wurden sie auf dem Weg nach Osteuropa oder Asien aufgetankt oder pausierten. Die kleinen Gulfstream-Jets schaffen den Atlantiksprung nicht ohne Zwischenstopp, können aber auf abgelegenen Kleinflugplätzen unauffällig starten und landen.

Die Regierung will von diesem Verkehr die ganze Zeit nichts gewusst haben. Es sei „kristallklar, dass die isländische Regierung in Übereinstimmung mit den Regierungen anderer europäischer Länder in derartige Angelegenheiten in keinster Form verwickelt sein will“, reagierte jetzt Ministerpräsident Halldór Ásgrímsson. „Es gibt keine Rechtfertigung für eine solche Vorgehensweise und sie ist zutiefst zu verurteilen.“

Dass die Regierung in Reykjavík, ein eifriges Mitglied der „Koalition der Willigen“, das die Flugplätze des Landes für alle US-Truppen- und -Kriegsmaterialtransporte in den Irak stets geöffnet hatte, im Unklaren darüber war, was dort startete und landete, erscheint wenig überzeugend. Parlamentarier fordern deshalb nun die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Der Abgeordnete Helgi Hjörvar will von der Regierung wissen, wer oder was bei den 67 Flugbewegungen transportiert worden ist und welches die eigentlichen Abflug- und Zielorte der CIA-Jets waren. Isländische Medien wollen bei ihren Recherchen auf Flugplätze in Polen und Ungarn gestoßen sein. Teilweise taucht auch der Flughafen Kopenhagen-Kastrup auf, der aber offenbar nur eine weitere Zwischenlandungsetappe war.

Deshalb ist auch die dänische Regierung mittlerweile unter Druck geraten. Zwar hatte Außenminister Per Stig Møller bereits im August „die Anwendung dänischen Luftraums für Zwecke, die unvereinbar mit internationalen Konventionen sind“, verurteilt. Nun wurde jedoch klar, dass zuletzt noch am 10. Oktober einer der berüchtigten CIA-Jets auf dem Weg von Reykjavík nach Budapest in Kopenhagen Station gemacht hatte.

Die baltische Nachrichtenagentur BNS verbreitete am Freitag äußerst detaillierte Informationen. Diese könnten Dementis aus Polen, aber auch Litauen in Frage stellen, was diese als mögliche Ziel- oder Transitländer von Gefangenentransporten angeht. Danach sollen Flugzeuge mit unter Terrorverdacht stehenden Gefangenen an Bord „rund zehnmal“ auf dem Militärfluplatz Szymane nahe der Stadt Szczytno rund 180 Kilometer von der litauisch-polnischen Grenze entfernt gelandet sein.

Konkret meldet die Agentur zwei Landungen einer Boeing mit dem Kennzeichen N-313P im September bzw. November 2003. Beim ersten Mal sei diese aus Kabul gekommen, beim zweiten Mal aus Frankfurt am Main. Die anderen Flugzeuge seien zwischen Tasjkent und Glasgow bzw. Dusjanbe und Frankfurt am Main unterwegs gewesen.

REINHARD WOLFF